schutz und türen

in der wohnung nebenan sitzen gerade sehr viele menschen und sprechen über das haus das auch unser zu hause ist, das verkauft worden ist und nochmal verkauft werden wird. über die neuen eigentümer, die schon 23 andere häuser gekauft, luxussaniert und weiter verkauft haben. es ist toll, das die menschen, die auch alle hier zu hause sind, dort gemeinsam sitzen. es ist offen, was das ergebniss sein wird. und noch viel unklarer, was werden wird. manche von ihnen kennen wir seid 14 Jahren, so lange wohnen wir schon hier. borgen uns gegenseitig eier, gießen die blumen, sitzen auch mal zusammen. andere haben wir heut zum ersten mal gesehen. einer ist sogar hier geboren, wohnt unten rechts, wir kennen ihn nur als den alten mann, den wir manchmal an der mülltonne treffen.

nach einer halben stunde war uns schwindelig, herzrasen, den worten nicht mehr folgen können, innen ein sturm an gedanken und wirbelnde gefühle.

es ist 14 jahre her das wir hier eingezogen sind. mit 3 freunden, die alle zusammen mit uns und für uns ein zu hause finden wollten. einen sicheren ort. unser name stand nicht im vertrag, nicht am klingelschild, nirgens. einige tage zuvor hatten wir das alte handy samt simkarte in einen mülleimer geworfen, briefe verschickt, gekündigt an verträgen, was wir selber konnten. inzwischen verstanden, das unsere familie viele wesentliche dinge für uns in der hand hatte. ausweis, pass, geburtsurkunde, konto, versicherungen. alles lag in der hand unserer mutter, wurde von ihr kontrolliert und festgehalten. erinnern uns gerade an das blaue laminat, was wir in der wohnung davor verlegt hatten, auch in der kleinen diele, in der einige monate zuvor die mutter stand. zuschlug, schrie und forderte: ihr recht auf unser schweigen.  immer wieder sind sie eingedrungen an die orte, an denen wir türen hatten, auf denen unser name stand. die aber nie genug schutz boten vor übergriffen, angriffen, zugriffen. eigentlich meinen diese drei worte alle das gleiche. ausgeliefert sein.

erinnern uns, einige monate später, an das milchkaffeebraune linoleum im bürgeramt und den satz: „nun haben sie einen neuen namen.“ auch den haben wir lange zeit an kein klingelschild geschrieben.

danach kam post, die wir aus sicherheitsgründen nicht selber geöffnet haben. eine neue geburtsurkunde, ein neuer ausweis, bankunterlagen mit fremdem logo, der bafögbescheid. gerade der war ein kleines wunder. hatte die frau im bafögamt doch die leeren zeilen zu: „angabe der name der eltern“ angestarrt und genervt darauf hingewiesen, das es nicht ginge, keine eltern zu haben. wir müssen nachvollziehbar worte für sie gefunden haben. es ging doch und nirgens in unserem antrag tauchte ein anderer als unser neuer name auf. ohne angaben zu den eltern und mit einer bewilligung. das dadurch mögliche studium hat sich zwar hingezogen, aber ist heute grund für den job, den wir haben.

es gab menschen, die hier vorm haus standen, unsichtbar und sichtbar und bedrohlich und mahnend. aber niemals ist nochmal wer durch eine tür getreten oder in diese, an der unser name stand. inzwischen steht er nähmlich an der tür und von den 3 freunden ist nur noch eine da und die sitzt gerade nebenan und spricht zusammen mit all den anderen mietern aus unserem haus.

wir empfinden es als bedrohlich, als wäre mit dem verkauften haus ein wichtiger teil unseres schutzraumes in frage gestellt worden. fühlen uns ausgeliefert, nicht mehr den tätern von damals. aber dennoch macht es angst und uns deutlich, wieviel es ausmacht, einen sicheren ort zu bewohnen.