müde bin ich

das wandeln zwischen den welten. den außen und den innen.frag mich, wie soll ich im innen ein zu hause finden, dieses miteinander vertraut und beieinander sein. wenn _ ja, was eigentlich. wenn das außenleben nur einen tag braucht, um mich abends wund zu fühlen vom abstreifen der rollen, der angenommenen und der zugewiesenen. geht dabei nicht um zwang oder unzulänglichkeiten, innenprozesse die zeit brauchen oder entscheidungen immer wieder schutz zu suchen im nicht sichtbar sein.

aber heut ist ein tag, wo ich mich mich eben wund fühle. verwundet. verwundbar. vom vielen nicht im ganzen sein können. mich innen zerschlagen fühle, weil es im außen zuviel vom „nicht „ganz“ sein können“ gab.

montagsmorgens um 10 vor 9 beim hausarzt vor der tür stehen, ok, ist manchmal so. dann sind wir weit vorn in der reihe. karte einlesen lassen wegen des quartalsendes und tief einatmen: könnte ich noch eine ergoverordnung bekommen?(folgerezept schon seit einer weile) NEIN lautet die auskunft, gehen sie doch zum orthopäden, der doktor hat schon jetzt 200% ausgeschöpft. aber ich bekomme doch.. weiter komme ich nicht und zu fragen, ob ich den doktor das selbst fragen kann, traue ich mich nach dem blick auch nicht mehr. ich denke an die vielen artikel zu besseren medizinischen versorgung komplextraumatisierter, an die ergo, an geld, das ich nicht hab um selber zu zahlen, an die krankenkassenmitarbeiterin, die ich fragen könnte, was ich nun tun soll. an komplexe traumafolgen, meine traumafolgen. an dieses ding innen, das sich immer wieder nicht sicher ist, ob das überhaupt berechtigt ist, die kasse so viel zu kosten. und daran ob ich irgendeiner fremden orthopädin erklären kann, warum ich einmal im quartal eine verordnung zur psychisch-funktionellen ergotherapie brauche. dabei versuch ich gerade an ein rezept für manuelle therapie zu kommen und bin schon bei zwei ärzten abgewimmelt worden.

9.40 komme zu spät zur arbeitsgruppe, erzähle was von wasser in der küche (stimmt auch) um mich zu erklären und halte das geplänkel über meinen urlaub am 21.6. aus. jaja_haha soviel frei wie schön für dich. dann spreche ich von gremienarbeit, politischen zielen, unterstützungssysthemen. brauch aber noch fast eine stunde um das morgendliche spüren der eigenen bedürftigkeit abzuschütteln. niemand hier vermutet hinter meinem auftreten etwas anderes als klarheit, stringenz, taffem vertreten von rechten gewaltbetroffener. inhaltlich gar nicht so weit von themen entfernt, die mich betreffen aber dennoch abgegrenzt genug. in einem bereich wo selbstbetroffenheit oft angenommen aber selten benannt wird. wie oft habe ich mir vorgestellt, ich würde ES sagen, nicht um meine berufliche anerkennung fürchtend, nicht darum, das manche denken könnten, eine wie ich, die sollte doch nicht…und schon gar nicht in diesem bereich. ( und nein, ich arbeite nicht bei wildwasser, wo selbstbetroffenheit teil des konzepts wäre)

zurück zur arbeitsgruppe. ich gebe wissen zum thema datenschutz weiter, das ich habe, weil es mich betrifft. warum ich über soviel detailiertes wissen dazu verfüge. beantworte die frage mit einer zwischenlösung. ich würde noch woanders mich engagieren, wo das eben auch ein thema wäre. stimmt halb. aber ist weit weg von mir selber. weit genug, das keiner etwas ahnen kann. stehe ganz kurz mir selbst gegenüber, so nah, das ich meine eigene nasenspitze berühren kann. diese momente gibt es oft und landen alle auf einem haufen, der selbstverleugnung heißt, ganz groß drauf steht aber: selbstschutz, weil ich mir selbst das eben besser verkaufen kann.

3h später im büro erkläre und tröste ich, entwickele lösungsideen aus gehörtem und gebe rat und werde tätig. ganz wie es meinem arbeitsfeld entspricht. in dem ich wirklich gern zu hause bin. inzwischen bin ich dabei oft mehr ich selbst als anderswo, begleite und spreche ohne ständig auf möglichst viel distanz zu achten. nie hat eine gefragt und ab und an deute ich fortbildungen an und immerhin, erfahrungen hab ich ja inzwischen auch, also berufliche. also fragt schon länger keiner mehr und ich kann sagen, was in meinem inneren greifbar ist. nur manchmal und auch heute, würde ich dieser einen klientin, die ohnmächtig und zweifelnd sich vor mir zu rechtfertigen versucht, der ich mehrfach sage, das sie das tut_woraufhin sie lächelt, wir üben das schon eine weile, heute hätte ich ihr gern gesagt: es wird besser. ich weis es, weil es für mich auch besser geworden ist. ich weis, das sie mir glauben will, auch ohne den hinweis, das ich es wirklich wissen kann. aber wie gern würde ich das manchmal sagen können.

kollegin kommt dann noch hält mir vor was ich gesagt hab neulich. sie weis nicht warum und könne mich nicht verstehen. ich schon, aber das kann ich eben nicht sagen, weil ich an dieser stelle wirklich nicht bereit bin, meinen schutzraum auch nur kurz aufzumachen. also nehme ich die neue angekratze stelle in meinem außenichpanzer in kauf.

und dann sitze ich hier und überlege eben zum xten mal, was wäre anders, würde ich es nicht immer wieder abstreifen wie das chamelion sein farbenschild oder maskieren in passenden erklärungen. würde ich den job angenommen haben, wo ich es hätte sagen und vertreten können gegenüber aller welt, weil genau das meine aufgabe gewesen wäre. würde ich mich dann frei fühlen und bei mir und mehr raum habend, in mir ein zu hause zu suchen?ich würde gesehen und vielleicht stolz entwickeln, statt immer neuer ressourcen zur vereitelung meiner entdeckung in dieser außenwelt.

ich würde euch gern erkennen können und würde gern erkennbar sein, die sein, die in der sbahn neben dir steht und ruhig atmet weil sie deine panik ob der enge sieht. oder im gespräch mit dir betroffen sein kann und nicht scheinbar stark weil unversehrt. ich bin müde mich zu verstecken und am abend selbst nicht wieder zu finden

ich wäre gern ein mensch voller wertvollem mit komplexen gewalterfahrungen und daraus resultierenden folgen_ohne das wie früher ständig zu verstecken.

2 Kommentare zu “müde bin ich

  1. Liebe Renée,
    Danke, dass Du uns an Deinen Lebensmomenten immer wieder teilnehmen lässt, dadurch, dass Du sie so gekonnt schilderst.
    Du gibst uns die Chance ein wenig mitzuspüren, wie es ist, sich so zu öffnen. Auch wenn es im Netz und letztendlich anonym ist.

    Wir fühlen uns Dir dadurch sehr verbunden, einfach, weil so viel Wiedererkennen stattfindet und es so wohltuend ist, sich „damit“ nicht so allein zu fühlen.

    Die Frage, die Du stellst: ich glaube, in geschütztem Rahmen ist es wohltuend sich auch im Aussenleben so begegnen zu können. Ohne Worte meine ich viele Abstufungen von „Not“ und „Bedürftigkeit“ wahrzunehmen in meinem Umfeld.
    In meiner Arbeit bin ich in einer Position, in der dieses „Wahrnehmen“ und ansprechen dazugehört.
    Seit ich bei mir verschiedene „Zustände“ und Löcher, in die ich immer wieder falle entdeckt habe, habe ich auch das (und wie ich damit umgehe) in den Umgang mit den gruppen eingebaut. Natürlich nur sehr oberflächlich aber immer betonend, dass es normal ist, dass jeder Mensch „etwas“ mit sich herumschleppt, was es zu bearbeiten gibt, im innern. Und dass es gut für das eigene Leben und speziell für die Qualität des Zusammenlebens mit anderen Menschen ist, sich die Zeit zu nehmen, das zu bearbeiten.

    Ohne jemals ins Detail zu gehen, habe ich so dass Gefühl, mitteilen zu können, dass auch ich diesen „Rucksack voll mit…“ herumschleppe und dass Benennen und Umgang damit finden auch im Austausch zur Normalität ( wie ich sie mir wünsche) gehört.
    Als Reaktion darauf merke ich, wie ein Teil der Menschen das einfach nur hört, andere öffnen sich. Auch, ohne sich völlig zu zeigen.

    Schon diese Nähe und das gegenseitige Verständnis hilft mir immens, mich nicht „verstellt“ zu fühlen.

    Liebe Grüße,
    (Julia)

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  2. Liebe Renée,
    danke für deinen Mut, deine sehr tief berührenden Texte! Du bist eine Heldin, alle jene die durch so eine Hölle gehen mussten, sind es!
    „ich bin müde mich zu verstecken und am abend selbst nicht wieder zu finden
    … ich wäre gern ein mensch voller wertvollem mit komplexen gewalterfahrungen und daraus resultierenden folgen_ohne das wie früher ständig zu verstecken.“
    Aber das bist du, du bist so ein Mensch mit wertvollen komplexen Gewalterfahrungen! Und du brauchst dich nicht zu verstecken! Definitiv mittlerweile nicht mehr – inwischen haben es doch viele Menschen kapiert, was für gruselige Parallelwelten es mitten unter uns gibt.
    Ich sehe, dass dein Beitrag schon 2 Jahre alt ist – vielleicht versteckst du dich ja nicht mehr. Sorry, falls ich etwas übersehen habe. Ich werde noch mehr deiner Texte lesen. Ich schaffe das aber nicht alles so schnell auf einmal, dafür ist es zu heftig.
    Herzlichst und alles Gute dir, Ale

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