gestern,heute und morgen

in meinem bücherregal stehen sie, die romane und gedichtbände welche mich seit vielen jahren begleiten. dazwischen all die bücher mit denen ich mich weniger allein, weniger verrückt, weniger falsch gefühlt habe. immer noch gibt es tage, an denen ich das eine oder andere davon in den zu vollen rucksack stopfe. nur um es dabei zu haben. diese bücher voller worte von menschen deren geschichte meiner eigenen ähnlich und doch ganz eigen ist. bücher deren autor*innen mir manchmal mehr familie sind als meine eigene es je war. sanft streichen meine hände über buchrücken während in meinem kopf kein verständnis entstehen mag darüber, wie eine zeitung sich dazu benützen lassen kann, auf menschenverachtende weise worte zu veröffentlichen die menschliche gewalt verherrlichen, die opfer beschämen, die dazu aufgeschrieben sind, jene verzagen zu lassen die den mut haben sich ihren eigenen erfahrungen zu stellen oder sich an die seite jener zu stellen, die opfer geworden sind. und weiter opfer werden.

ich werde keinen der artikel oder filme verlinken, die sich sein einiger zeit den anschein geben, sie würden eine prüfbare berichterstattung zu einem thema von interesse darstellen. nein. das tut ihr nicht. ihr mögt menschen diffamieren, tatsachen verdrehen, euch mächtig darstellen. aber eigentlich ist all das nichts neues. so sehr ihr unser schweigen erzwingen wolltet, so sehr ihr heute versucht die wahrheit zu verzerren, so wenig könnt ihr geschehenes ungeschehen machen. false memory? oh nein. denn es gibt ein gestern, heute und morgen. dessen ich mir bewusst bin. das stattgefunden hat, gerade stattfindet. und stattfinden wird.

ausatmen

laufen am strand entlang. längs zum horizont. kalter wind. könnte noch kälter sein. morgens der blick in den spiegel. sehen wie vertraute konturen zurückkehren. die haare wachsen noch nicht. immer noch nasenbluten. aber der geschmack von altem metall ist weg. die fingerkuppen sind aufgesprungen. heilen noch nicht. und die stifte fühlen wir nicht. beim versuch graphisch zu zeichnen sind unsere bewegungen ungelenk. keine schmerzen mehr in den händen und füßen in jeder nacht. der schlaf noch unruhig. 3mal, 4 mal werden wir wach. der mund trocken als würden wir nacht für nacht durch die wüste wandern. trotz ananasenzymen. manchmal noch bauchschmerzen. und hitzewellen. und laufen als wäre der boden aus nebel. nicht spürbar.

und dennoch. heute ist der erste freitag nach 12 wochen wo wir nicht zur chemo müssen. wir schauen aus dem fenster, trinken kaffee, der sturm treibt den regen längs vorbei. nachher werden wir zum meer gehen. laufen. ausatmen.

ein_tauchen

spüren den letzten moment der uns noch vom „wieder wach“ sein trennt. millisekunden später treiben wir wieder an der oberfläche. zwischen bewusstsein und nachthimmel. fühlen uns wie eine alte plastikflasche der es einfach nicht gelingen mag, lang genug in die tiefe des schlafens abzutauchen. vier sechs neun mal pro nacht werfen wir uns zwischen die wellen der nacht.

Teenagerflamingo

es gibt nur sehr wenige menschen (4) denen gegenüber ich keine mütze getragen haben in den letzten monaten. mützen sind seid der zweiten chemo meine schutzhelm gegen angestarrt werden und verletzbar sein von außen und einem getriggert sein wenn ich mir selbst des haarlosen schädels bewusst wurde.

jetzt fühle ich den samtigen flaum unter meinen händen. jeden morgen. als könnten haare über nacht wachsen. ich spüre meine hände sanft über das streichen, was ein mensch ganz nah bei mir anfangs mit: „siehst aus wie ein flamingokücken“ kommentierte. und eineinhalb wochen später mit: „jetzt biste nen teenagerflamingo“

nicht bei jeder chemo fallen die haare aus. bei vielen aber schon. und nicht nur die sichtbaren kopfhaare. es ist ein moment wo zumindest für mich, der eingriff den eine krebserkrankung und deren therapie bedeutet, spürbarer wurde. ich mich ohnmächtig fühlte. schutzlos. nah an empfindungen die eng mit früherem erleben verknüpft sind. erdrückt von der notwendigkeit zwischen lebensbedrohlicher gewalt von früher und bedrohlicher erkrankung heute immer wieder zu unterscheiden. es fühlt(e) sich oft an, als müsste ich beidem gleichermaßen aufrecht stehend begegnen. manchmal war_ist dass unglaublich kräftezehrend.

dann habe ich worte von einer person gelesen, die ihre glatze als teil ihrer ritterrüstung als „cancerfighter“ fühlt. das sie stolz ist, diese kämpferin zu sein und genauso auch die glatze trägt. mich haben diese worte einige tage sehr beschäftigt. und heute bin ich dann voller stolz mit meinem teenagerflamingoflaum über den wochenmarkt gelaufen. die blicke der drei frauen an ihrem tisch im café haben mich trotzdem getroffen. aber ich bin ja auch nicht unverwundbar. in keinerlei hinsicht. nur eben ein teenagerflamingo.

nachtrag: eine chemotherapie besteht aus verschiedenen zyklen. der erste enthält oft ein medikament das schnellwachsende zellen angreift: das trifft dann tumorzellen wie eben auch zum beispiel haarwurzeln. dieser erste zyklus war in meinem fall/ ist oft eine mehrstündige infusionsprozedure alle drei wochen. vier mal. dem folgt dann in meinem fall / meistens ein weiterer zyklus von wöchentlichen infusionen über mehrere stunden bis zu zwölf mal. also für drei monate. jeder dieser chemotage ist unglaublich anstrengend.schmerzen, übelkeit, erschöpfung. in den tagen danach eine immer wieder andere abfolge von nebenwirkungen. für mich waren die schlimmsten heftige übelkeit während des ersten zyklus, entzündungen im gesamten nasen-rachenraum, gliederschmerzen, schlaflosigkeit. zunehmende neuropathien mit diesem zweiten zyklus. körperliche und psychische erschöpfung. manche nebenwirkungen werden angehäuft mit jeder chemo, manche treten tageweise auf. am schwierigsten ist, das mit dem beginn der chemo der gesamte biologische rythmus des körpers angehalten wird, als wäre der körper vor eine betonwand gefahren. wechseljahresähnliche beschwerden. aber es ist ein großer unterschied ob ein körper in seinem eigenen rhythmus in einen natürlichen prozess der veränderung eintritt oder durch einen eingriff von außen plötzlich angehalten ist in seinem natürlichen rythmus.

die haare sind übrigens weiterhin nicht fest verwurzelt und können leicht wieder ausfallen bzw. bei reibung ( augen wischen, darüber streichen) wieder verloren gehen. und sie wachsen wirklich langsam und auch nicht stetig. vielleicht bleibt es eine ganze weile beim teenagerflamingostatus. aber hey, wer hat schon die möglichkeit ein zweites mal teenager zu sein 😉

fremdkörper

lasse mich mit der erschöpfung des tages in bett fallen. bunte bilder flimmern noch im außen, lenken ab. die gedanken werden langsamer bis sie nicht mehr hörbar sind. irgendwann fallen die augen zu und ich in tiefen schlaf als würde ich von der kante meines bewusstseins ins dunkel springen. kopfüber. wie vom 3 meter brett.

und werde wieder wach. als hätte mich das innere der nacht wieder an seine oberfläche gedrückt. ausgespuckt. atme als wäre mir die luft weggeblieben. suche halt und orientierung im dunkel um mich.

immer wieder werde ich auftauchen als würde schlaf nur eine art kurzes abtauchen in die stille hinter der brandung der nacht.

werde mit den händen nach dem handy tasten, beim grellen aufleuchten des display die augen zusammendrücken. im kopf überschlagend das ich keine stunde geschlafen habe. durch bunte bilder scrollen bei insta bis mir die augen wieder zufallen.. den worten der mediationsapp folgen in den nächsten schlaf.. ins dunkel starren nicht nochmal springen könnend. warten. zweifeln.

bin müde. erschöpft. traurig. seid wochen ist jede nacht eine aneinanderreihung von sprüngen in die tiefe des schlafens und aufwachen als würde mich dieselbe tiefe immer wieder an die oberfläche zurück drücken. fühle mich wie ein fremdkörper auf der oberfläche der nacht.

nacktheit

mich nackt fühlend. andere schreiben worte darüber diese nacktheit wäre die rüstung derer die gegen den krebs kömpfen. empfinde es aber als entblössung nicht entscheiden könnend mit wem ich das für mich intime wissen über den krebs in meinem körper teile. mit wemm ich etwas mich betreffendes teile. etwas körperliches nicht verbergen können erinnert an altes, damals beschämendes. jetzt gerade fühle ich mich wund vom ungewollt gesehen werden und vom empfinden alten ausgeliefert seins. es ist keine gewalt die im heute zu einem empfinden führt das an alte grenzverletzungen erinnert die damals mit aller gewalt passierten. das ist ein unterschied. und trotzdem macht es mich gerade müde.

nr. 4

zum 4. mal laufen innerhalb von 5 stunden nacheinander 8 beutel flüssigkeit über den port in den körper. 2 davon enthalten „die chemo“. alle anderen sind medikamente gegen nebenwirkungen. inzwischen hat es einen rythmus. ankommen.beutel 1 abklemmen weil wir mit „strüppi“ dem infusionsständer nicht in gekachelte räume können wegen triggerpotenzial. klo. beutel 2 und 3. abklemmen. klo. übelkeit. traumarbeit. beutel 4 und 5. klo. müdigkeit. ablenken. arztgespräch. die letzten 3 beutel. medikamente für die nächsten tage einpacken. auf der heimfahrt völlig ko einschlafen.

die 4. chemo ist ne arschkrampe. der körper ist voll. mit chemie. 3 tage danach diesmal nur liegen. jede anstrengung braucht energie. die nicht da ist. alle 2 stunden essen weil wir inzwischen wissen das übelkeit auch ein zeichen für fehlenden brennstoff im körper ist. essen können wir diesmal nur was geruchsneutral ist. überhaupt halten wir keinerlei gerüche aus. sofortige übelkeit. entgrenzung. erschöpfung. ein bisschen entmutigung. schwierige gedanken schleichen sich ein. an tag 5 lässt der enervierende geruch der chemo nach. in der nacht entbrennt eine entzündung in nase, mund, hals. tag 6 verbringen wir im krankenhaus. uns wird schlecht wenn sich auch nur eine tür auf und zu bewegt. an tag 9 lassen die nebenwirkungen etwas nach und die entzündungen gehen auf die augen über. dafür müssen wir nur noch alle 4 stunden essen. morgen ist tag 10. und dann haben wir noch 11 tage bis der zweite chemo-zyklus beginnt. dann 12 mal jede woche aber nur 2 einhalb stunden mit anderen nebenwirkungen. irgendwie klingt dieser text nüchtern. ist eine zwischenstandsmeldung. mehr geht grad nicht.

ein text über mich, dich und andere? uns

auf jeden fall ziemlich gedankenvoll und sicher auch nicht ganz zu ende gedacht. aber manches lässt sich nicht zu ende denken oder fertig in worte verpacken.

es gibt so unendlich viele dinge um die wir wissen. aus den nachrichten. aus dem was wir im alltag sehen. in den augen eines gegenüber. von dem wir hören. vielleicht auch ungewollt in einem gespräch neben uns in der bahn. annahmen. aus dem geschichtsunterricht in die realität übertragen in ihrer bedeutung für die damalige generation menschen.

dinge die angst machen können. unbegreiflich sein. nur schwer zu erfassen als real geschehend, nebenan, kilometerweit entfernt.

wir wissen von kriegen.. menschen die im meer ertrinken auf dem weg in ein erhofftes besseres, sicheres leben. ungesehene kinder die jeden tag und jede nacht gewalt erleben wie wir sie selbst erfahren haben. umweltreaktionen die katastrophal für die betroffenen menschen und regionen sind. und dennoch immer mehr aufzeigen wie wir die welt aufbrauchen. krankheiten die wie seit eineinhalb jahren den alltag von menschen auf der ganzen welt beeinflussen. oder in unserem wissen existieren aber im stillen menschen sterben lassen die ihren freund*innen schmerzlich fehlen aber für andere unbekannte bleiben. krankheiten die nicht uns betreffen was uns hilft ihre bedrohlichkeit in grenzen zu halten. so vieles was jedes leben beeinflusst, verändert, enden lässt auf eine ungewollte, manchmal von menschen verursachte weise, ein andermal durch medizinische erklärbare auslöser.

allein wäre jeder mensch nichts von alledem gewachsen. wir erfahren gerade sehr viel support, zuwendung, offenheit und unterstützung. sehen verletzungen und ängste anderer. hören worte die uns einladen, gemeinsam damit zu sein.

es gibt diesen satz, das es ein ganzes dorf bräuchte um ein kind aufzuziehen. vielleicht ist es auch eine art dorf die hilft mit krankheiten wie unserer umzugehen und darin zu wachsen, manchmal auch auszuhalten.

manchmal kann man nicht viel tun. aber manchmal ist es ein lächeln, wenige worte, sich als gegenüber erkennbar zeigen. das so viel sein kann.

wenn wir uns etwas wünschen können, dann dass was wir gerade erfahren an zugewandheit, vorsicht vor unserer verletzbarkeit, achtung unseren ängsten und gefühlen gegenüber _ übertragbar wäre auf noch weniger begreifbare lebenserfahrungen wie gewalt und flucht aus unterschiedlichsten lebenserfahrungen. vielleicht sollten wir einfach immer voneinander annehmen das wir erfahrungen haben die uns als mensch betreffen, verletzen, zurücklassen, verlust erleiden, zukunft verunsichern, angst machen und schon deswegen einander anlächeln und im gegenüber das eigene mensch sein vermuten lassen.

nebenwirkungen

wir haben jetzt einige tage damit gekämpft und fühlen uns auch noch nicht „fertig„ damit. aber neben allen nebenwirkungen gibt es eine wirkung der chemo-therapie: einen körperlichen heilungsprozess möglich machen. wieviel mehr wiegt das nebenwirkungen auf? wieviel wichtiger ist das als der verlust von haaren? uns haben menschen um uns das immer wieder gesagt und es hat gedauert bis wir heute nach einer schlaflosen nacht wirklich fühlen, das wir jedes einzelne haar hergeben für ein weiter-gehen auf einem heilungsweg.

sie liegen auf der tischplatte. ich wische sie verstollen vom schreibtisch, während ich hoffe, das mein gegenüber es nicht sieht. corona-konform sitzen wir aber echt weit auseinander, zum glück. ich bringe den arbeitstag hinter mich und fahre langsam genug nach hause um angehupt zu werden. dann stehe ich doch im bad und überlege, wie ich die übrigen haare einigermaßen gleichmäßig von kopf bekomme. shampoo, ein letztes mal für ne ganze weile. aber nö, das funktioniert nicht. irgendwo hatte ich gelesen, das rubbeln hilft. tut‘s auch. meine hände sehen aus, als hätte ich durch feuchtes hundefell gestreichelt.

Und ich muss in den spiegel sehen, weil ich sonst keine ahnung hab, ob noch haare da sind. ich sehe augen die mich aus dem spiegel anstarren. ich sehe weg und taste mich mit den augen nach oben vor. ich muss sofort an frisch geschlüpfte vogelkücken denken. irgendwie kahl mit fusseln dazwischen. ich rubbel noch eine weile und setzte dann die haarschneidemaschiene an.

das ist jetzt vier tage her. nur ein mensch hat bisher unseren kopf ohne haare gesehen. ein fremder, der für eine stunde unser begleiter wurde, als er den frisur-ersatz (perücke) angepasst hat. von dem wir noch nicht wissen, ob und wann wir ihn tragen werden. knapp 500€ euro, 400 davon bezahlt die krankenkasse. er fand unseren kopf schön. aber er hat uns auch vorher nie mit haaren gesehen. aber er fand uns schön, nicht abschreckend.

heute morgen, als das erste tageslicht durch die vorhänge die konturen des zimmers sichtbar macht, in dem ich seid stunden schlaflos liege: ich drehe mich herum und vermisse kurz, dass mir dabei die haare im gesicht kleben bleiben, streiche dennoch mit einer unwirschen geste übers gesicht, fahre zum x-ten mal mit der hand über den kopf. spüre die weiche haut. und das rauhe stacheln der letzten kurzen haare.

wieviel identität machen haare aus? wieviel macht es uns aus, das da jetzt erstmal keine mehr sind? wir mögen den blick in den spiegel nicht, fanden schon immer schwierig das spiegelbildgegenüber mit dem selbstempfinden von außenkonturen, sichtbarem und innerem empfinden in einklang zu bringen. wie oft haben wir versucht auf alten fotos uns selbst zu erkennen. und auf neuen das zu finden, was von uns im heutigen alltag selten außen zu sehen ist. und jetzt ist da ein neues spiegelbild.

brust, weiblichkeit und sexualobjekt

wir verstehen uns als non- binär. die auseinandersetzung mit diesem thema war lang und ist nicht abgeschlossen. bedeutet auch um einiges mehr als nur geschlechtliche zugehörigkeit. ist für uns teil von identität, selbstbewusstsein und eigenem verständnis wer wir sind. als wir das erste mal in eine welt eingetaucht sind, in der sexuelles und wahrgenommes geschlecht veränderbar war, hat es uns irritiert, das im ausland gekaufte hormone und op‘s in muffigen, lonoliumverklebten krankenhäusern etwas ändern könnten an unserer angst vor dem körper. der wechsel des geschlechts fühlte sich falsch an und weniger stimmig als auf frauenparties der tür verwiesen zu werden, weil zu männlich wirkend. dem folgten viele jahre wo wir körper, gender und alles was dazu gehört links liegen gelassen haben. die dis-diagnose warf fragen auf nach der geschlechtswahrnehmung im innen und dem wieviel es eine rolle gespielt haben könnte, als mädchen geboren worden zu sein. wir tragen kleider und hosen und nagellack und base-caps und sind raus aus der gesellschaftlichen geschlechterdisskusion. wir sind wir und das ist auseinandersetzung genug.

erst mit dem immer häufiger in unserem umfeld zumindest, auftauchenden begriffen wie gender, normativen geschlechtszuordnungen, trans* , non-binary.. (usw.) wird uns die eigene gender-frage wieder bewusst. es gibt ein gegenüber im außen, mehrere termine mit intensiven gesprächen, eine entscheidung gegen eine weitere transition, eine entfernung der brüste oder weitere eingriffe, selbst hormoneinnahme fühlen sich nicht passend an. wir verlassen den letzten termin mit einer klaren entscheidung für uns: keine verändernden medizinischen eingriffe am körper, dafür aber ein sehr klares entziehen den bisherigen zuweisungen zu einem geschlecht. die selbstwahrnehmung als non-binär. wir stehen dazu im alltag, in jeder geschlechterdiskussion, in auseinandersetzungen im innen. und sind uns sicherer den je, gender und gewalterfahrungen haben viele verknüpfungen erfahren und dennoch ist unser heutiges selbsterleben nicht das ergebnis dieser gewalt. nicht mehr und für uns nicht. das mag für andere und selbst für uns auf anderen ebenen ganz anders sein.

und dann kommt die brustkrebsdiagnose. ausgerechnet. dieser teil vom körper. und na klar die frage, was wäre wenn. was wäre, hätten wir uns für die brustambutation im rahmen einer transition entschieden? vielleicht hätten der krebs sich dann woanders im körper angesiedelt.

und jetzt mit der diagnose ist es dieses geschlechtszuweisende organ, für das wir uns mit 8 schon beim schwimmunterricht geschämt haben, das teil von vielen fiesen fladhbacks ist, jetzt ist es der körperteil, der krank ist und für den wir ne menge tun müssen. unsere brust wird zum ersten teil unseres körpers der allen schutzes vor altem und neuen schmerz bedarf, wegen dem wir aushalten, das viele fremde menschen untersuchen, operieren, anschauen, ein port in der gesunden brust drohnt. jeder plötzlich weis, das wir ein (öhm zwei) brüste haben. und wir empfinden nichts sexualisiertes dabei. und sind erleichtert darüber. sie ist einfach ein teil von uns. obwohl wir dennoch den chirurgen, der den faden aus der op-narbe ziehen soll, kaum aushalten. viel zu nah und viel zu viel an unserem körper.

hätte mit jemand vor einigen wochen gesagt, das ich einen blogtext schreiben werde über meine brüste, ich wäre wohl peinlich berührt gewesen, das überhaupt jemand annimmt, das ich solche teile habe. ich hätte mich sexualisiert gefühlt, in meinen grenzen verletzt, unangenehm berührt. das knotendings macht diesen teil des körpers zu meinem und unserem und sexualisierung kommt darin nicht vor.

chemo die erste

alle diese termine sind ziemlich früh und mit anfahrt stehen wir gestern immerhin erst um acht vor der tür. wach seid halb fünf, mit dem hund draußen gewesen, tasche von 4 tagen ostsee ausgepackt, rucksack mit allem von der vorbereiteten liste für den chemo-tag eingepackt. sitzen im auto neben unserer therapeutin , kopf leer. manches vorbesprochen: zum wirklich vorbereiten blieb kaum zeit. diagnose und die letzten 4 wochen sind belastung für sich. für uns der ganze medizinkram ziemlich triggernd, manches noch im auto gar nicht vorstellbar. innen versucht zu vermitteln, wofür das heute wichtig ist und die letzten tage am meer sitzend versucht eine innere haltung zu dem jetzt zu finden.

wir wussten vorher nicht, was zu“krebs und chemo“ dazu gehört. fängt alles an mit dem (in unserem fall) gyn-termin. sie findet den knoten im stehen nicht und wir sagen nochmal: im liegen gut tastbar. da findet sie ihn dann auch und beim ultraschall nach einer weile auch genug gründe, uns an ein brustzentrum zu überweisen. wir brauchen zwei tage bis wir da anrufen und dann nochmal ein woche, bis zum termin. wir sprechen im unfeld noch wenig darüber. gibt genug alltagskram. dann mit begleitung sitzen wir vor der ärztin und diese bestätigt, das auch ihr super-ultraschall den verdacht bestätigt. also gehen wir noch schnell zur mamographie, halten die Biopsie aus und taumeln mit zwei überweisungen zum ct und zur knochenzintigrafie aus der tür. ausbreitungsdiagnostik. das wort hämmert uns tagelang durch den kopf. zwei wochen bis wir die termine hinter uns haben, eine tumorkonferenz an der wir nicht teilnehmen (müssen) aber die behandelnden ärzte und ein termin in woche drei wo uns ergebnisse und behandlungsplanung erwarten. wir sind angespannt, megaangespannt, geschockt, zwischen hochfunktional und es geht gar nichts. der arzt bei der knochenzintie ruft sein erleichterndes ergebnis in den raum wo wir auf dem rücken unter einem riesigen gerät liegen, das die aufnahmen macht. überhaupt machen wir in diesen tagen ständig dinge, die eigentlich nicht gehen. aber wir sind bei keinem termin allein. und so „lost“ wir uns auch fühlen, spüren wir diese anwesenheit, den halt, das uns gegenüber sein. freuen uns über sprachnachrichten von freundinnen die wir in doofen momenten hören, fangen an darüber zu sprechen, was gerade ist, bekommen nach und nach unsere gedanken sortiert.

am ende der woche vier sitzen wir am meer. vorher haben wir montagmorgen ein vorgespräch für die port-op, am nachmittag einen termin im studio für das perückendings ( bekommt einen eigenen Beitrag), dienstagmorgen die port-op und am nachmittag das chemo-vorgespräch. mittwoch gehen wir morgens zur zweitimpfung und danach in die arbeit. dort gibt es auch noch manches zu klären. die erste chemo fällt in woche 5 seit der diagnosestellung. chemo ist eine menge zeug das in 5 stunden aus verschiedenen beuteln in den körper läuft per infusion. zwei gegen das knotendings, etwas zum „besser fühlen“ und mehrere beutel gegen nebenwirkungen. auf die warten wir jetzt um kennen zu lernen was chemo mit unserem körper machen wird. außer dem haarausfall.

wir lesen ab und zu texte, blogs von anderen, lesen dort viel darüber mit einer solchen diagnose „plötzlich„ ein lebensveränderndes thema zu haben, von einem neuen ich, innerem wachstum. und für uns? vieles davon unbekannt, weil es bisherige strategien im umgang mit traumafolgen nicht nutzen lässt ( es ist vorbei vrs. es fängt gerade erst an) und dann wieder doch, jahrelange skillübungen kommen im hirn zum vorschein und werden verändert, angepasst, verworfen, neu ausprobiert. traumamaterial ist einfach da, braucht umgang. wie trauen uns zu sagen: mit der krebs-diagnose haben wir plötzlich ein „normales“ problem. doch es ist held*innen – haft, darüber zu sprechen, damit umgehen zu müssen? viel held*innenhafter als unser jahrelanger umgang mit trauma-folgen. jedenfalls für andere. für uns..? wir haben uns vorgenommen mit beiden seiten zu sprechen, denen einen zu zeigen was trauma und z.b. eine notwendige krebsbehandlung bedeuten und mit den anderen darüber, dass das mantra: die bedrohung/ das trauma ist vorbei, nicht verhindert, das andere neue herausforderungen dazu kommen können und umgang brauchen. und wir wissen, wir sind nicht allein. andere haben diese oder noch ganz andere „normale“ diagnosen. nur finden wir kaum artikel oder nur hinweise auf den umgang von komplexen traumafolgen mit alltagsherausforderungen die aus medizinisch schweren diagnosen entstehen.

so, weiter geht‘s

die situation hält ein ganzes potpourri an themen, emotionen und problemlagen bereit.

den vogel abgeschossen hat wohl der orthopäde, welcher die antwort:“ein neues physiorezept“ auf seine frage:„ was er noch für uns tun könnte?“ mit „nein, also ein tumor in der brust, das schließt physiotherapie aus“ beantwortet. häää?!?? er deutet dabei mit den fingern eine rückenmassage an. doppelt häää?!?!? der rücken ist hinten, der tumor vorn und überhaupt, die notwendigkeit der physiotherapie hat so gar nix mit dem knotendings zu tun, sondern mit traumafolgen. und von: „ich tausche knotendings gegen traumagedöns!“ war auch nirgens die rede. wir halten stand und gehen doch mit einem rezept, davon sind 3 termine allerdings schon aufgebraucht, bevor wir es überhaupt bei der physio abgeben. und nochmal der versuch, irgendwo in dieser stadt einen orthopädiemenschen zu finden, der traumasensibel ist. ( hilfteiche hinweise gern per mail an uns).

dann wären da noch die themen: „und plötzlich alles anders“, „krebs und trauma“, „viele-sein und und krebsbehandlung“, „hilfe brauchen und annehmen, wenns kaum zeit ist sich mit allen: „aber, dennoch‘s, kann ich nicht und anderem quirks“ auseinander zusetzen, wie im innen sinnvoll vermitteln, was gerade passiert und sich zu oft ziemlich nicht-selbst-bestimmt anfühlt, „identitätserleben vrs. chemo und haarausfall vrs. dissoziative identitätsstruktur“ , „arbeiten und belastungsgrenzen“ , „nahe menschen, soziales umfeld, unterstützungsnetzwerk, grenzen und quirks“, das „tut mir leid – sätze“ thema und öhm.. bestimmt was vergessen, aber das macht nix.

zumindest für die „innen“frage und überhaupt fürs irgendwie verstehen-finden haben wir eine idee entwicklet. zuallererst: es ist kein spiel, das ist uns sehr klar. aber um irgendwie etwas zu finden wie wir es schaffen uns zu orientieren, zusammenhänge und perspektiven zu erfassen stellen wir uns das ganze wie ein imaginatives computerspiel vor. alles ist schon da, wurde in seinen grundzügen schon definiert. es gibt zusammenhänge, abhängigkeiten und sich bedingende „spielzüge“ die festgelegt sind. dennoch gibt es handlungsoptionen, wahlmöglichkeiten und entscheidungen, die wir treffen können und die einfluß nehmen auf den weiteren verlauf. und akteure, die zusätzlich „im spiel“ sind, mit denen wir zusammen arbeiten können, die eigene „spielkonfigurationen“ haben und auch eigenständig agieren können. alles zusammen macht das ganze dreidimensional, vorstellbar und erfassbar, gibt kontexte wieder und lässt mögliche handlungsverläufe zumindest bis zu einem bestimmten punkt sichtbar werden. (wenn du am wunderbaum links abbiegst, gehst du dem missmutigen einhorn rechts aus dem weg, landest aber im dornenstrauch der selbstzweifel. um mit dem klarzukommen, brauchst du die klarheit schaffende heckenschere, die dir die das eichörnchen am fliederbusch in level 2 geschenkt hat)
legen wir mal fest, wir sind also inzwischen in level 3, verstehen langsam, welche „mitspieler“ es gibt, wie in etwa die grundspielregeln sind und welche „dinge“ es unterwegs einzusammeln gilt. ab und zu werden, wie bei jedem guten computerspiel, kleine infotexte eingeblendet und es gibt natürlich versteckte hinweise und zusatzausrüstung, die nicht immer leicht zu finden sind. (woher soll man auch wissen, das die knurrige eiche am himbeerbach wenn man um sie herumläuft auf der rückseite genug platz bietet, um mal durchzuatmen und in einem hohlraum ne softeismaschiene versteckt ist?)

level 3 ist noch etwas unberechenbar. level 4 (beginn bis ende chemo) wird etwas länger, dafür sind die wegmarkierungen dann schon sichtbarer. bis level 3 tauchten die immer erst auf, wenn man an dem entsprechenden punkt vorbei war und level 1 und 2 waren auch eher „jump and run“ versionen. wie schon gesagt, es ist kein spiel, aber uns hilft diese vorstellung, den überblick wieder zu finden und etwas draufsicht.. abstand. und weil schon einmal am tag medis nehmen eine challenge ist, so wie auch täglich genug trinken, selfcare und regenerationskram.. ebenfalls in anlehnung ans computerspiel, haben wir uns eine score-tabelle gemacht, wo tägliche punkte und zusatzpunkte am ende für alle sichtbar machen, was vielleicht noch fehlt. und die liste der zusatzpunkte für selfcare-sachen ist wirklich bunt und lang geworden 😉.

wir haben auch nachgedacht, ob das alles hier in den blog gehört. oder es einen eigenen raum dafür braucht. aber das knotendings wird ja ne weile teil von unserem alltag sein. und wenn es schon der orthopäde nicht verstehen wollte, wird es so sein, dass das traumagedöns und das knotendings eben zusammen da sein werden.

go through

hindurch gehen. ist es das? vor einigen wochen ertasten die finger wieder diesen punkt der sich knotig und fest anfühlt. irgendwann machen wir endlich einen termin bei der frauenärztin. warten die wochen bis dahin ab. schieben zur seite. dann endlich. erklären ihr das es auch um das geht, was die hände ertasten immer wieder. atmen noch weniger als wir liegen und sie sorgsam ruhig sich den ultraschall anschaut, hören die worte: ja da ist etwas. rufen am nächsten morgen in der empfohlenen klinik an, bis zum termin nochmal 10 tage warten. und wieder: ja, da ist etwas. sind froh nicht allein zu sein als wir zur mammographie ins nebengebäude laufen, wieder zurück die biopsie gemacht wird. sitzen stunden später zu hause. können nirgens hindenken. noch immer scheint es unwahr unreal. ausbreitungsdiagnostik ist der nächste begriff den wir nirgens in unserem denken unterbringen können. zwei wochen, mehrere termine, untersuchungszimmer, geräte, ärzte, unwirklichkeitsfühlen, angst, noch weniger schlafen können. heute sind es wenige worte die die angst in uns etwas anhalten lassen: keine weiteren befunde. es gibt _ nur_ den tumor in der brust. das nächste wird ein termin zur behandlungsplanung sein. auch das hat noch keinen ort in unserem denken gefunden. aber ein satz fängt an dem weg eine richtung zu geben: hindurch gehen/ go through.

unaufgeräumtes

wenn ich nicht schlafen kann keine ruhe finde im innen die gedanken kein wohin wissen fange ich an im außen aufzuräumen nun stehen die buchrücken akkurat beieinander sind sortiert nach wichtigkeit thema oder farbe anderes ist zu neuen stapeln zusammengerückt grünpflanzen haben neue töpfe bekommen dinge die nicht vermisst wurden haben sich angefunden kleingeld glitzert kupfern unter der schreibtischlampe einige wenige dinge warten im papierkorb ganz zu verschwinden nur schlafen kann ich noch immer nicht

Scham/ʃaːm,Schám/Substantiv, feminin [die]

warum sind menschen, die selbst gewalt erfahren haben, sooft so unglaublich darum bemüht, andere weder blosszustellen noch anzugreifen, kritsche gedanken nicht authentisch zu äußern , scheinbar negative emotionen als reaktion auf ein gegenüber zu unterdrücken? und was hat das (für mich) mit scham zu tun?

ich habe sehr lange versucht, scham zu verstehen. sooft hab ich gelesen das menschen wie ich quasi ständig scham empfinden würden. mir schien scham oft genug noch weniger erfassbar als andere emotionen. (ja, google sagt, scham ist eine emotionen) ich habe mich selbst in frage gestellt weil ich scham nicht verspürte, wo sie hätte unbedingt anwesend sein sollen ( laut fachliteratur).

heute ist mir klargeworden, das scham nicht unbedingt ein direktes situationsbezogenes empfinden sein muss. sondern wie die spiegelung in einer pfütze sich verbergen kann im eigenen handeln und nicht-handeln.

das ist kein runder beitrag zu diesem thema, aber meine gedanken fühlen sich heut auch eher eckig an.

GdB

es ist ja immer irgendwas. gerade erholte sich der körper vom flashback-gebeutelt-sein, bewegen wieder schmerzfrei möglich. da wirft ein unschöner sturz fragen divers auf nach selbstfürsorge, helfen lassen, eigenem schmerzempfinden und warum der bewegungsvorgang der zum sturz führte, partout nicht rekonstruierbar ist. und während all das allen raum und kraft einnimmt, flattert post durch den briefschlitz. und weil es keinen briefkasten gibt, liegt post dann auch gleich mittem im flur. zum nicht dran vorbei gehen können.

„landesamt für gesundheit und soziales / versorgungsamt“. die antwort auf den antrag auf feststellung des grades der behinderung vom 23.12.2019. naja, eher die antwort auf zwei weitere emails, zig telefonate und ein schreiben ans lageso vor 4 wochen. den antrag gestellt haben wir tatsächlich im dezember 2019, dann kam corona, laut lageso der grund für noch längere bearbeitungszeiten.

den antrag gestellt haben wir nach langem überlegen. eine auseinandersetzung zum thema gab es im poscast viele-sein, hier nochmal zum nachhören, wer will: viele-sein episode 48 traumafolge „behinderung“ vrs. behinderung „traumafolge“

was das versorgungsamt nun mitteilt war zu erwarten und trifft dennoch: der grad der behinderung beträgt 20. begründung: 1) funktionsbehinderung der wirbelsäule mit nerven- muskelreizerscheinungen 2) kombinierte psychische störung. gemessen an dem, was beantragt wurde ist das quasi in etwa das was aus nem topf nicht mehr rauszukratzen geht, wenn er mal so richtig angebrannt ist. ( wer möchte kann nachlesen, das die beurteilung des gdb durchaus differenzierter sein kann) in der schublade liegt schon seit monaten das widerspruchsschreiben und die notwendige anforderung aller unterlagen, die das lageso zu diesem ergebnis geführt haben. ich mache mir einen eintrag im kalender, denn im gegensatz zum lageso habe ich nur zweimal vier wochen zeit für den formalen widerspruch und dessen begründung. für letzteres brauche ich die nun anzufordernden unterlagen. an den widerspruch geheftet die adresse von einem anwalt. den wirds vermutlich brauchen und eine kleine haftnotiz: „als erstes kosten mit dem anwalt klären!“ so absehbar dieser verlauf war, reiht er sich ein in ein zwölfjahre dauerndes oeg-verfahren (am ende einegstellt u.a. wegen ankündigungen des richters: „die anonymität nicht wahren zu können“) und und so vieles mehr, wo es darum geht auf lange distanz durchzuhalten, wenn es darum geht, traumafolgen irgendwie institutionell versorgen zu lassen.

und wie passt das jetzt alles zusammen? selbstfürsorge für akutes und langjähriges ist gleichermaßen die frage nach dem umgehen innerer konfliktlagen vrs. dem umgang mit eben diesen.

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ich bin wer ich bin

im letzten artikel ging es um authentizität. auch in entwürfen ging es um dieses thema, nicht veröffentlicht, weil nie fertig geschrieben. aber warum ringen um authentizität, um bedürfnisswahrnehmung, um anerkennung, um gesehen werden, wie ich bin. warum immer wieder damit ringen, was andere meinen, denken, sagen!? trauma ist vom ersten moment an eigene wahrnehmung, empfindungen, bedürfnisse nicht gewährt zu bekommen. egal wie gewalt verkleidet ist und daher kommt, eigentlich machen die menschen, die sie ausführen und dich trainieren, soviel wie möglich davon auszuhalten genau das eine, sie sprechen dir ab und bringen dir bei, nicht zu sagen, nicht zu zeigen, nicht wahrzunehmen, wie du dich dabei fühlst.

warum soll ich so viele jahre damit verbringen es als sieg zu feiern, das ich mich traue, mir selbst zu vertrauen und anderen? das ich fühle, denke, spüre. wieviel einfacher wäre es, wenn es der anfang wäre, mir genau das endlich zuzugestehen. euch anderen einzugestehen, das nicht ich kaputt bin sondern ihr euch durch mich konfrontiert fühlt mit euch selbst, einer kaputten welt, der existenz von gewalt und dem menschlichen handeln, das viel öfter als nur in den beispielen, die ich um himmels willen nicht zu deutlich schildern soll, weil sie mich triggern könnten, überall sichtbar ist, das der mensch an sich nicht gut ist. menschliches handeln ist selten selbstlos, viel zu oft grenzverletzend, beleidigend, allein lassend, das eigene vor das der anderen stellend.

ich bin wütend. meine worte sind wütend. aber ich hab keine platz mehr in mir noch länger von euch zu lernen zu verstehen, bis ich in eurer welt einen platz finde. ich muss niemand anderes werden und auch nicht ein neuer mensch. ich bin wer ich bin. und ich bin es, weil alles was ich erfahren habe, mich zu der person gemacht hat,die ich bin.

mangel soll der grund sein, das kleinste als großes zu feiern?!zu viel erfahrene ohnmacht mich stark fühlen lassen weil einen moment mich jemand nicht ohnmächtig fühlen lässt?!

in meinem umwelt diskutiere ich gerade in verschiedensten kontexten privilegien. ungesehen in dem , wo ich keine privilegien habe oder sie mir erarbeiten musste. diejenigen, die wissen, das ich dafür gekämpft habe, nennen es stärke, äußern zweifel, das wenn ich mir dies und jenes erkämpfen kann, es ja nicht so schlimm gewesen sein könnte. die es nicht wissen, vermuten in der nicht_begründeten klarheit, mit der ich privilegien benenne und in frage stelle, das ich nie ohne diese gewesen sein kann. die, die ihr wisst, das ich um alles gekämpft habe und kämpfe, warum denkt ihr, es wäre nur mir möglich?! und nehmt mir damit, das es eben nichts besonderes ist, dinge zu erreichen um meinetwillen. sondern ein fucking grundrecht. warum gebt ihr damit den tätern recht, das spätestens wenns sie mit uns fertig sind, nur müll übrig ist, nichts lebenswertes. und die, die ihr meine geschichte nicht kennt, weil sie euch einfach nichts angeht, warum meint ihr, nur ihr müsstet kämpfen. und stellt euer eigenes vor das der anderen.

noch bis gestern hätte ich gesagt, ich werde nicht wütend. nun bin ich es. ich hatte immer angst vor meiner wut, angst davor, das diese meine welt und meine sicht auf diese und mich selbst in frage stellen könnte. und sie tut es. weil ich wütend bin nicht auf jene, die gewaltsam täter*innen an mir waren, sondern auf die menschen, die jetzt da sind. und weil ich auch wütend bin auf menschen, die gar nicht wissen können, das ich es bin. weil ich angst habe, was passiert wenn ich es auch diesen sage, das es mich wütend macht, wie selbstverständlich sie mit ihrem umgehen und sehen der welt meine existenz ausgeklammern, so sehr, das ich um authentizität ringe und versuche, diese ungesehen zu leben. was soll das?! du mir gegenüber sitzend erzählst mir von deinen traumata. und doch enthält jeder deiner sätze genug hinweise darauf, das ich nichts von mir preisgeben sollte. weil es deine welt auf eine art auf den kopf stellen würde, für die du keine lösung hast. du willst von mir, das ich dir in deiner angst helfe, die du , so sagst du es, vor mir hast, vor meiner klarheit, meiner wortgewandtheit, meiner stärke. du machst dich klein weil es dein umgang seit jahren ist, andere für dich sorgen zu lassen. du willst das ich aufhöre, dich klein fühlen zu lassen. aber warum richtest du dich nicht auf und stehst zu dir. wieso fällt es dir so leicht, mich zum täter zu stilisieren um dich als opfer fühlen zu können. du schweigst und forderst dasselbe von mir. weil du die laute stärke der worte, die gesagt werden könnten fürchtest nicht auszuhalten. warum forderst du mein schweigen um selbst nicht reden zu müssen?!

ich bin wer ich bin. und dennoch bin ich unsichtbar. aus angst, wenn gesehen würde, was mich alles ausmacht, dann nicht sein zu können, wie ich bin. ein widerspruch, ein kaum zu verstehender satz?! nein, vielleicht einwenig kompliziert. wenn das was von mir zu sehen ist nur so lang anerkannt, gewollt und respektiert wird, so lange so vieles von mir ungesehen bleibt, dann impliziert dies, das es eigentlich unmöglich ist, zu sein, wer ich bin. immer noch zu kompliziert? mein „ich bzw. mein wir“ kann ich mit einer psychiatrischen Diagnsoe bennnen, meine erfahrungen anhand der stichwortverzweinisse diverser bücher über komplextraumata aufzeigen ohne auch nur ein wort über meine individuellen erlebnisse zu verlieren und in meinem alltag findet sich in so vielen varianten das spiegelbild dessen wieder, was tätern die grundlage für ihr handeln bietet. normaltität. definiert anhand ihrer gesellschaftlichen tragbarkeit. alles was außerhalb dessen ist, ist freigebenen zur bewertung, ohne anspruch auf gleichsetzung. meine erfahrungen und mein sein sind nicht NICHT normal. für mich nicht. das ihr diese nicht normal/normativ findet impliziert eine abwertung, meiner erfahrungen, meiner person, meiner erkämpften priviliegien. niemand ist gleich unter gleichen. und doch werde ich niemals so gleich sein wie ihr, jedenfalls nicht, wenn ich fordere, das nichts von dem, was ich sagen könnte, weniger normal ist als das was du und jeder andere sagen, empfinden, denken, fühlen könnte.

immer noch zu kompliziert? ich bin. wütend. weil ich immer noch. kämpfe. zu sein. einfach so. ich. ich bin. wütend. das ihr gewalt und deren folgen. ausklammert aus eurer normalität. und damit mich allein lasst. ich bin. keine diagnose. kein opfer. kein patient*in. keine anomalie. ich bin ich. dir gegenüber sitzend. gleich dir und jedem anderen. keiner von uns ist besser oder schlechter. stärker oder schwächer. das zu definieren ist menschliches handeln. und wie schon gesagt, menschliches handeln ist menschen_ge_macht.

noch ohne titel.

Authentizität
Echtheit bzw. Originalität von Wahrnehmungsinhalten bzw. Gegenständen unter einem bestimmten Aspekt

Authentizität (von gr. αὐθεντικός authentikós„echt“; spätlateinisch authenticus „verbürgt, zuverlässig“) bedeutet Echtheit im Sinne von „als Original befunden“. Das Adjektiv zu Authentizität ist authentisch. (Wikipedia)

wir sind es gewohnt die perspektive anderer einzunehmen um zu verstehen, was diese von uns erwarten. wir hören fremden worten zu um die richtigen worte zu finden, etwas von dem auszudrücken was nah genug ist an dem was gesagt werden soll und gleichzeitig nicht verräterisch demgegenüber ist, was unsagbar scheint. wir verbergen teile unseres selbst, indem wir zeigen was wir annehmen , das sichtbar sein darf.

wir versuchen fremddefinitionen wie alte aufkleber von uns abzupuhlen und es entstehen dabei blinde flecken auf unserem selbst wie früher auf den cd-hüllen.

wir haben uns (und werden es weiter tun) viel mit anpassung, kompensation, (fremd)definitionen unseres seins auseinandergesetzt. noch nie aber mit der frage was macht lässt uns authentisch sein?

Corona und andere Hindernisse

Mist. Stechender Schmerz zwischen Weckergeduddel und Augenblinzeln. Wird auch nicht besser, sticht fies und bewegen macht es nicht besser. Eingrenzen könnte helfen. Ich teste mich durch den Körper, der Schmerz läßt sich auf eine faustgroße Stelle in der Mitte des Brustkorbs, etwas über dem Herzen lokalisieren. Öhm. Wir atmen tief ein. Mehrmals. Es tut weh.. allerdings nur wenn die Muskulatur sich bewegt. In der Lunge scheint sich die Atemluft ihren gewohnten Weg ohne Hemnisse oder Schmerzen zu suchen. Wir gehen kurz eine Checkliste im Kopf durch. Können alles von Fieber bis Schnupfen ausklammern, es riecht nach warmen Hundepfoten. Ok. Unser Kopf sucht weiter. Es triggert sein kleinwenig. Wenns nicht das ist.. dann… gestern abend war das noch nicht. Nach den Flashbacks.. war das auch nicht. Und ne Stelle, wo die Muskulatur gern mal schmerzhaft auf übergroße Ver – und Anspannung hinweist..ist es auch nicht. Es folgt die morgendliche Routine: Kaffee, Frühstück, Bad, Hund. Die Schmerzen puckern ein Loch ins Hirn. Es tut so weh als ob _____. Focus auf den Alltag versus anhaltende schmerzhafte Irritation und Einordnungsversuchen. Es fühlt sich an, als hätten _ wie wenn ______ damals______. Auf ___________und ___________.

Ich schiebe mich und Rad ins Büro. Erste Person die mir begegnet bescheinigt mir sofort: Du kuckst ja mieslaunig. Öhm. Spontane Antwort: Nö, hab nur fies Schmerzen überm Brustkorb. Ups. Das 2m entfernte Gegenüber geht mit mir die Checkliste durch. Können alles von Fieber bis Schnupfen ausklammern, es riecht nach nach frischem Kaffee. Focus auf die Arbeit versus anhaltender schmerzhafte Irritation und Einordnungsversuchen. Plus einen dringenden Notiz: benennen des Schmerzpunktes irgendwie anders lösen.

Ein Tag später. Foccus auf den Alltag versus anhaltende schmerzhafte Irritation und Einordnungsversuchen. Heute Physiotherapie. Mhm. Anrufen, vorher sagen, das da dieser Schmerz über dem … Mhm. Kann immer noch alles von Fieber bis Schnupfen ausklammern, nur riechen kann ich gerade nichts. Termin, ankommen, Schmerz beschreiben, sofort dazu sagen: Alles andere kann ich ausschließen.

Tag 3. Der Schmerz hat sich verändert. aus einem Punkt ist ein großer Bereich über den gesamten vorderen Körper zwischen beiden Schultern geworden. Eine Veränderung. Triggert aber inzwischen ziemlich. Gehe kurz die Checkliste im Kopf durch. Kann alles von Fieber bis Schnupfen ausklammern. Weiter Focus auf den Alltag versus anhaltende schmerzhafte Irritation und Einordnungsversuchen. Und nichts mehr sagen von Schmerzen überm Brustkorb. Ich erschreck mich immer wieder, die Irritation hat Löcher im Innen gefressen, lässt Schatten im Außen die Grenzen zwischen Heute und dem im Kopf verwischen.

Tag 4. Es tut weh, einwenig anders, aber immer noch. Ich brauch keine Checkliste mehr, ich kann alles ausschließen, auf das im Heute solche Schmerzen hinweisen könnte. Es fühlt sich an, als hätten ____ wie wenn _______________ damals______. Auf __________ und _______. Es sind Sehnen und Muskeln die sich beim zusammen ziehen im Heute schmerzhaft an einer Rippe gerieben haben.

perspektivwechsel

therapie 1

ein psychiater. ich treffen ihn zum ersten mal als ich 14 bin. ich mag ihn nicht. in meiner erinnerung ist er ein arsch. und unangenehm. und einer von ihnen.

therapie 2

ich sitze auf der kante eines tagesbettes und starre angestrengt aus dem fenster. hinter mir füllt stühleklappern und stimmengewirr den raum. neben mir steht meine tasche. es ist herbst, 1990. ich bin 15 jahre alt, wiege 48 kg und bin am morgen in diesem raum abgestellt worden. zuvor lief ich neben ihr her übers klinikgelände. war froh, nicht mehr neben ihr in der enge des autos sitzen zu müssen. hab aus gewohnheit die steinstufen gezählt in den zweiten stock, mich am eisengeländer festgehalten. kann atmen, seid sie sich umgedreht hat und endlich gegangen ist. jetzt warte ich. auf die angekündigte abholung. „sie werden dich abholen, jeden abend. die nacht verbringst du in einem heim. und tagsüber hier.“ eine ankündigung, bedrohlich fühlen sich ihre worte an. übergeben. nicht an diesen ort hier. sondern an diejenigen, die am abend kommen sollen.

jemand setzt sich neben mich. weiß ist ihr kittel und warm ihre stimme. „ wir haben den ganzen tag überlegt. das dich hier jeden abend jemand abholt, das machen wir nicht mit. du schläfst hier. auf der tagesstation. das geht schon. und dann schauen wir.“

3 monate ist die geschlossene psychiatrische station für frauen der sicherste ort wo ich sein kann.“ es gibt 3 türen, alle abgeschlossen. die zum treppenhaus, die zur station und die zum schwesternzimmer. ich werde immer weniger angst haben vor den verrückten*. ich werde den klappernden teewagen jeden tag von einem zum nächsten zimmer zu schieben. werde wissen, dass das schreien aus dem zimmer auf halber höhe zum stationszimmer von I. kommt. der ich nun jeden morgen ihren kakou ans bett stelle. auf die seite, wo die nicht fixierte hand ist. die mir irgendwann erzählen wird, das sie viele jahre in einer anstalt weggesperrt war, die laufen lernen wird und zum abschied an der treppe stehen und mir zuwinken. ich werde auf dem gang sitzen und der nette pfleger wird immer wenn er vorbeikommt, seine schachfigur bewegen auf dem brett vor mir. ich werde nachts mit den anderen auf dem klo rauchen und ihnen beim tanzen zusehen. in der musiktherapie irgendwann“ die gedanken sind frei“ durch den raum schmettern. mit den männern von der station unten drunter rauchend im treppenhaus sitzen. für die alte dame am ende vom gang die bildzeitung am kiosk vor dem klinikgelände kaufen ( dafür muss ich heimlich die station verlassen) manchmal nachts mit der netten ärztin reden, die ihr dienstzimmer auf der tagesstation hat. die mir gesagt hat, das ich bleiben kann. die mir sagen wird, das sie es nicht geschafft hat, durchzusetzen, das ich auf die kinder- und jugendstation nebenan verlegt werde. sondern weg muss, nach berlin.

manchmal werde ich draußen unterwegs sein und medizinisch versorgt werden danach. sie werden meine schuhe einschließen und mich zu zweit aus der telefonzelle auf dem gelände zurück auf die station tragen. zeitweise fixieren. so wie die geigenspielerin, die ganz selten mit ihrem instrument am fenster steht, wenn sie grade nicht weint.

ich werde 3 monate mich geborgen fühlen zwischen den türen und den verrückten* und nachts im sessel schlafen im dienstzimmer der stationsärztin, während sie berichte schreibt.

*die verrückten auf dieser station waren die ersten menschen mit denen ich lachend, weinend und rauchend erfahren habe, das ich lebendig bin. echt bin. es ist das liebevollste, was ich sagen kann.

therapie 3

psychiatrische kinder- und jugendstation berlin. gitter vor den fenstern, linoleum, abgeschlossene tür.

wir sind zu 7ent. jedenfalls die von uns, die immer übrig bleiben, während andere nach 8 Wochen therapiezyklus zurück geschickt werden. 4 von uns werden nicht älter als 25 werden. 2 nicht mal volljährig. c. wird mir geld und walkman klauen und sich davon ihren goldenen schuss kaufen. weil sie nicht mehr von der sozialarbeiterin der station jedes wochenende bei ihrem daddy abgeliefert werden will. der hinter der sozialarbeiterin die tür der wohnung abschließt, nachdem er ihr noch gezeigt hat, das c. jetzt ein bett neben seinem hat. er muss ja schließlich aufpassen, das sie nicht schon wieder wegläuft.

k. springt irgendwann von dem dach, auf dem wir auch zusammen schon gesessen haben. zumindest in gedanken. an der mauer im garten sitzend, die diesen umgibt, 2,50 hoch das tor wird uns aufgeschlossen, wenn wir mhm.. hofzeit haben. d. werde ich noch einige jahre treffen, bei ihm im kinderheim pennen, mir die eckeligen geschichten über seine mutter anhören, immer öfter merken, das er voll mit drogen ist und irgendwann von wem hören, das er in nem bahnhofsklo gefunden worden ist. r. werde ich in einer twg wieder treffen.

der zuständige psyochologe dort hatte mir ganz klar gesagt, er werde mir nicht helfen. ich solle aufhören darauf zu hoffen, das ich in eine wg übers jugendamt ziehen kann. die mutter hätte ihm die konsequenzen für seine karriere ziemlich klar gemacht. jetzt hat er ne schicke praxis in mitte.

therapie 4

du bist die erste die hier einzieht, sagt die sozialarbeiterin. alles riecht neu und ist neu. ich hab ein eigenes zimmer, die sonne scheint durchs fenster. ich hab gespräche mit einer psychologin aus der beratungsstelle eine etage tiefer und einen antisuizidvertrag. telefonate mit meiner mutter führe ich in anwesenheit einer sozialarbeiterin. sie kann hören, wie die mutter mich offen bedroht. als diese persönlich nach berlin kommt soll ich ihr nicht begegnen und doch fängt sie mich auf der straße ab. „ich bring dich um“ ganz unverholen laut über die straße gebrüllt. zeugen machen ihr nichts aus. haben ihr nie was ausgemacht. alle sollen es hören. auch ich. ich muss ausziehen bald darauf.

therapie 5

twg / d. in der twg lande ich, weil ich zum jugendamt gegangen bin. nach 3 jahren halber freiheit und leben bei einer person, mit der ich sex hatte, weil ich dachte es wäre liebe. die mich NICHT geschützt hat, vor sich selbst, den übergriffen, auch durch ihren sohn und ihren nachbarn. die gedroht hat, aus dem 21.stock zu springen, als alles rausgekommen ist weil mich eine freundin von ihr einfach mitgenommen hat. damit ich endlich darüber rede. die twg war ein projekt jener jugendpsychiatrie, in der ich bis zum 17. geburtstag insgesamt über ein jahr verbracht hatte.

in der twg treffe ich r. wieder. wir werden dort ein dreiviertel jahr zusammen wohnen. ich werde sie wie eine kleine schwester mögen, obwohl sie seltsam ist und still und oft schräg. als wäre sie viele menschen in einem. ich werde sie auf einem spielplatz die halbe nacht festhalten damit sie sich nichts antut. und zum bahnhof bringen. weil sie umzieht in eine andere stadt, irgendwohin, wo es besser ist. erst viele jahre später wird mir jemand vorsichtig erzählen, das r. nur noch wenige monate dort geschafft hat. das sie schon lange nicht mehr lebt.

so wie d. der nach einem halben jahr in der twg sich sein rosa kissen auf die sbahn gleise legt. ein stricher weniger. wir sitzen spalier im hof, als seine familie seine habseligkeiten wegtragen. eigentlich nur den fernseher und die stereoanlage. am abend vorher haben wir sein zimmer aufgebrochen und alles persönliche mitgenommen.

therapie 6 und folgende sind noch aufzuschreiben

es fehlen einzelne personen und zwischenzeiten. die orte und handlungen sind nicht vollständig , existieren noch heute und sind wahr.

schleudertrauma traumaschleuder

es kündigt sich an. es gibt noch ein telefonat und den versuch, es irgendwie handhabbar zu machen. 

dann finde ich mich wieder in abwertung und befremdung und aversion gegen außen und innen. empfinde mein sein als unsinnig und worte wie glascherben in kopf und mund.

streife die jeans über das wunde und stecke die schuhe wie korken auf das bersten im innen. schließe die tür hinter mir. das fahrrad rollt mich in eine welt die ich unter meinen füßen nicht spüren kann. dort angekommen bin ich unsichtbar.

SelbstGespräche

Tür zu. Ruhe. Der Raum füllt sich. Mit Gedanken. Mit Gefühltem.

Ein Kommentar hat mich wieder zurück geführt in den Blog. Der Gedanke, wieder hier zu schreiben rumort schon länger. Veränderungen. Im Großen. Im Außen. In mir. In uns. Wo früher Worte weg_geschrieben worden sind, ist heute vieles näher, greifbarer. Ich bin mir näher gekommen. Wir uns. Es fühlt sich anders an, hier Worte nach außen zu schreiben um das was sich so viel näher anfühlt. Nicht wissend. Wer es ließt und warum. Und wie eine Form finden für die Worte, die viel dichter an mir, an uns formuliert werden? Manches wird unter der Überschrift: SelbstGespräche veröffentlicht werden. Es wird weiter Kommentare geben, die ich nicht veröffentliche, weil die Worte darin eher Zweigespräch als für andere sind. Und Kommentare, die für alle lesbar sind.

: wir haben angst.

morgens ist es immer noch da. aber die wohnung ist nicht mehr dunkel und geräusche sind sichtbarer in ihrer ursache. gestern fühlte es sich an,als würden sie hinter türen warten, um uns herumlaufen.

warten. stimmenrascheln. der körper hatte als erstes angst, dann haben wir sie auch gedacht und gegen das rascheln und klappern gehalten. ist nur angst, keiner ist da. heut morgen ist es hell, viel zu hell und viel zu laut, obwohl wir die geräusche sehen können. aber das schafft distanz. wir sind mehr als unsere angst (?) aber es ist viel angst und gemeine angst. die nicht von den klappernden türen kommt, jetzt wo es hell ist, können wir das sehen. nur das hohle unruhige im innen geht nicht weg. Weiterlesen

müde bin ich

das wandeln zwischen den welten. den außen und den innen.frag mich, wie soll ich im innen ein zu hause finden, dieses miteinander vertraut und beieinander sein. wenn _ ja, was eigentlich. wenn das außenleben nur einen tag braucht, um mich abends wund zu fühlen vom abstreifen der rollen, der angenommenen und der zugewiesenen. geht dabei nicht um zwang oder unzulänglichkeiten, innenprozesse die zeit brauchen oder entscheidungen immer wieder schutz zu suchen im nicht sichtbar sein.

aber heut ist ein tag, wo ich mich mich eben wund fühle. verwundet. verwundbar. vom vielen nicht im ganzen sein können. mich innen zerschlagen fühle, weil es im außen zuviel vom „nicht „ganz“ sein können“ gab. Weiterlesen

brüchigkeiten

manchmal

wenn ich ganz tief

einatme

kann ich scharfkantige

ränder

spüren

fahre langsam mit den fingerspitzen meines fühlens darüber

der impuls so stark die fühler zurück zu ziehen

angst ist spürbar

als hätten sich die tausenden momente dort angesammelt

in denen wir die brüchigkeit des lebendigsein erfahren haben

scharf sind die kanten

und angst machend

nicht allein

Himmel_NordenGerade haben wir Worte auf einem Blog gefunden, wie wir sie in uns haben die letzten Tage nicht finden können. Letztes Wochenende waren wir auf einem Kongress. Von und für Viele-Menschen. Vielleicht ist dies nicht ganz richtig. Der Kongress wendete sich an Menschen, die Gewalt und Handeln erfahren haben, das auch zur Folge hatte, das wir_sie Viele geworden sind. Unsere eigenen Worte sind still zur Zeit, deswegen teilen wir den Link zum Blog von „Geteilte Ansichten“, danke euch für euer Worte finden: https://geteilteansichten.wordpress.com/andere-kinder/

 

 

wenn gewalt keinen halt erfährt

Ich möchte dich bitten zu überlegen, ob dies für dich der richtige Moment ist, einen Blogartikel über die Zerstörungskraft von Gewalt zu lesen.

 

gewalt ist niemals auf ihren ersten moment, in dem sie beginnt, beschränkt. sie stört so lang das lebendig sein, bis sie wirklich angehalten werden kann. auch und vielleicht besonders im inneren erleben des menschen, der die gewalt erfahren hat. soviel schrecken, noch dazu, wenn sie am ende so zerstörend wirkt, dass das lebendige unterlegen ist. das ist der schrecken von gewalt für mich.

heute morgen habe ich beim frühstücken nachrichten im netz gelesen. ein alltagsmoment, in ruhe trotz vieler auf und abs der letzten tage.

dann lese ich: Susanne Preusker hat sich das leben genommen. für die, die sich nicht kennen: https://www.susanne-preusker.de/

es gibt u.a. zwei bücher von ihr: „Sieben Tage im April“ und „Wenn das Glück mit dem Schwanz wedelt“.

„Sieben Tage im April“ liegt neben wenigen anderen auf einem kleinen stabel der wichtigen bücher, begleiter an vielen tagen und in manchen nächten. Als ich ihr buch das erste mal gelesen habe, war es herausfordernd für mich, darstellung eines gewalterlebens und ihrer bewältigungsversuche dessen. als ich es das erste mal weggelegt habe, fühlte ich mich verbunden, mit dieser frau, die ich nicht kannte, ihren worten, die mich berührt haben, nachdenken lassen , mitfühlen..mit ihr und mit mir. Ihr buch_ihre worte.. haben mir geholfen einen zugang zur verletzbarkeit zu finden. ihrer wie meiner. manches mal, wenn ich sehr an mir gezweifelt habe, habe ich das buch nochmal gelesen oder zeilen davon oder es bei mir getragen wie einen schatz, etwas das mich stärkt und weiter gehen lässt. Um sie zu wissen war ist mir wichtig, sie gehört zu meinen heldinnen, ein vielleicht seltsames wort in diesem kontext, sie hat mir den sinn des hoffens vermittelt.

„Wenn das Glück mit dem Schwanz“ wedelt habe ich mit skepsis begonnen zu lesen und voller freude nach der letzten zeile sonntagsabends erst weggelegt. immer wenn ich zweifel daran hatte, ob ich meiner hündin gerecht werde, alles tue, was sie braucht für ihr hundeglück ist mir wieder eingefallen, das es um freundschaft geht, das die hundenase, die über den rand ihres lieblingschlafplatzes zu sehen ist, die fellige nase einer freundin ist.

heute vom suizid von Susanne Preusker zu lesen erschüttert mich zutiefst.

ich weis aus eigener erfahrung, welche innere auseinandersetzungen einer solchen entscheidung vorausgehen. es macht mich traurig zu lesen, das dieses leben nicht wieder lebendig werden konnte und die gewalt erst mit diesem moment so geendet ist.

 

von da nach dort

posteo.deZwischen hastigem Schuhgetrappel und hektischen Bahnhofsgeräuschen hört man seine Stimme, wie er die zusammengesackte Person neben sich immer wieder auffordert, sich nicht hinzulegen. Er ruft ihren Namen und es klingt resigniert und besorgt gleichzeitig. Ich warte auf dem Treppenabsatz, schaue, ob irgend jemand anderes noch bei den beiden stehen bleiben würde. Ich kann nicht weiter gehen. Ich dreh um, lauf auf die beiden Gestalten zu. Er sieht aus wie so viele, die in der Ubahn Zeitungen verkaufen. Und sie. Basecape, zwei Kapuzenshirts übereinander, Jeans. Sie sieht aus wie ich. Damals. Mein nachfragen ergibt, die beiden kennen sich flüchtig von der Platte. Sie ist stark alkoholisiert, atmet kaum und kann mit ihren Krücken nicht mehr weiter. Er wiederholt immer wieder: „Ich kann sie hier doch nicht liegen lassen. Sie braucht doch endlich Hilfe.“ Der RTW sei angerufen, aber komme einfach nicht. Ich rufe nochmal an und biete an, mit ihm zu warten. Weiterlesen

klebereis und mango

kein kochrezept, sondern gedanken über familienbande und abschied nehmen

 

ich schneide mango in streifen und rühre die kokoscreme in ihrem topf. die mikrowelle erweist sich als hervorragender dampfgarer für klebereis. wie die saftigen mangostücken fällt in kleinen brocken ein teil der anspannung der letzten tage endlich von mir ab. gedanken wandern von pauline-s avocadoartikel hin zur mango, der avocado aus dem obstregal, streifen kurz dieses bittersüße traurige brennen irgendwo im innen..mehr halten, aushalten geht nicht. der rücken ist in den generalstreik getreten in den letzten tagen, die orthopädin warnt, die tüte mit den paar einkäufen aus dem asiasupermarkt vorhin schien schon viel zu schwer. wie dann den rucksack im sommer beim wandern tragen oder den abschied, der nun angefangen hat oder die gedanken, die nirgends enden wollen oder den brief der halben schwester. von jener, mit der es keine gemeinsamen kindheitserinnerungen gibt. weswegen es doch leichter sein sollte mit dem kontakt. immerhin, blutsverwandt und unbelastet. aber das reicht nicht, auch im diesen letzten jahr hat es nur für einige digitale grüße gereicht, kein besuch, obwohl so nah. zumindest räumlich.

abschiede. ich mag keine abschiede mehr. das ende der cd erzeugt plötzliche stille.

inzwischen sitze ich am küchentisch, tippe, esse klebereis. die lautsprecher krächtzen im tackt von tom jones.

abschiede.

wieso setzen sich eigentlich immer die miesen gedanken irgendwo fest.

abschied. wovon eigentlich? der abschied von der therapeutin wird nun endgültig. aber da ist noch was ganz anderes. die mutter. ok. schreiben wir diesen gedankensprung mal den resten der gerade erst vergangenen tage zu.

aber die gedanken bleiben, der manchmal-blick ins internet, Weiterlesen

Transkript einer Anhörung

(Dieser Hinweis sollte eigentlich erst in ein paar Tagen erscheinen. Um auf das Transkript zu verweisen. Das schon online ist. Schon gelesen wurde. Auf das es schon Rückmeldungen gab.)

Ich habe mich entschlossen, das Transkript meiner Anhörung im Rahmen der Aufarbeitungskomission in einer nicht öffentlichen Befragung durch zwei Anwältinnen hier zu veröffentlichen. Warum ich mich entschlossen habe, vor der Aufarbeitungskomission auszusagen, kannst du hier lesen. Es wurden Fragen gestellt, die vielleicht auch andere haben und Antworten gegeben, die so sonst nirgens aufgeschrieben sind. Es ist ein Teil meiner Erfahrungen und es eine Geschichte unter vielen. Ich weis, nicht wer du bist und warum du dich dafür interessierst, das Transkript zu lesen. Falls du selbst Gewalterfahrungen hast, achte bitte beim lesen auf dich.

Hier kannst du das gesamte Transkript lesen: Transkript einer Anhörung

deine tochter sein

mitunter laufe ich an einem fenster oder einer ähnlich spiegelnden fläche vorbei_sehe dort eine silhuoette über die spiegelnde fläche gleiten. eher weibliche körperumrisse. irgendwas an der art sich zu bewegen scheint vertraut. die umrisse dennoch fremd.

heute sah ich_noch etwas anderes. etwas durchaus vertrautes. einen moment lang spiegelte sich dort meine mutter. manchmal sehe ich auch meine beine an oder meine handoberseite und sehe ähnliches. sehe die umrisse und formen und hautstruktur meiner mutter. heute bin ich kurz stehengeblieben, starrte das spiegelbild an und dich, die mir daraus entgegen sah. die tochter meiner mutter zu sein ist nichts, Weiterlesen

Selbst – Definition

(dieser Artikel ist eigentlich schon 2 Monate alt)

 

Das Internet spült einen Link in mein Digitalfenster. Ich lese, speichere ab, leite weiter.

Dann geht der Alltag weiter, Stress im Job, Hund hinkt, Grünpflanzen brauchen Wasser, all das was Alltag halt so macht. Jener Link wird noch zweimal, dreimal durch mein Digitales Leben gespült. Taucht auf und wieder ab.  Dann ein Telefonat mit Freunden. Ich höre aus meinem eigenen Mund ein selbstbewusstes, wir nutzen diesen Link um es öffentlich zu sagen. Um vor uns Selbst und jenen die es lesen dazu zu stehen. Wozu eigentlich? Ich räume die Küche auf, schau Hochrechnungen der Wahl, kraule den Hundebauch. Im Link geht es um rituelle Gewalt. DAS betrifft mich_uns doch gar nicht.

Eigentlich sollte ich schlafen. Dennoch Rechner wieder an. Nochmal lese ich, was die Webseite zur Studie erklärt. Öffne einen weiteren Link. Lese Definitionen. Es ist ein ganz leiser Moment. Ich weis, das es der Moment ist, in dem ich etwas für mich ..uns, definiere: so vieles von dem, was wir inzwischen wissen von Kontexten zu Flashbacks, Täterstrukturen und xxxxx, findet sich wieder in fast jeder der hier aufgeführten Definitionen. Mein Selbst streift sich diese Definitionen über und bildet eine neue Hautschicht daraus. Eine Selbst – Definition, die eure Taten von meinem Sein loslösen, weil sie die Taten anderer beschreibt und benennt.

Vielleicht mag Manchem beim lesen sich die Tragweite dieser Selbst – Definition nicht ganz erschließen. Aber für mich_uns ist das ein wichtiger Moment.

 

 

23 km

Gestern auf dem Weg von A nach B zu Freunden, eine längere Fahrt. Zwischenstopp mit Frau Hund, Spaziergang in einer Umgebung, die sich gut anfühlt. Sonnenlicht spielt mit den letzten Blättern an Obstbäumen. Wie schön nach den letzten Tagen. Zurück zur Autobahn. an einer Kreuzung Versuch der Orientierung und da steht es: 23 km bis XXX. XXX – der Ort wo wir_ich geboren wurden. Unerwartet so nah an diesem Ort zu sein Weiterlesen

Selbst_Verlust

es macht mir angst, das ich wahrnehme, wie Überforderung und Erschöpfung im Umgang mit immer wieder kehrenden alten, aber dennoch sehr wirkungsvollen Triggern und konditionierten Re-aktionen mich Kraft kosten. mehr als ich gerade habe. wie ich nach Wörtern suche, nach zuhören und Hilfe. weil ich mich selbst befremdet beobachte, wie ich aus dem innen heraus dazu gedrängt werde, hastig eigentlich vertraute Orte zu verlassen, Menschen-die plötzlich fremd erscheinen, eigene Worte so falsch.

ich werde stumm und habe Angst. das dieses Mal es mir nicht gelingen könnte, immerhin die funktionale Außenfassade aufrecht zu erhalten. die nicht nur euch, sondern vor allem mir selbst wie ein Leuchtturm versichert, hier ist die Normalität. rettendes Ufer der HEUTE-Zeit. ich verstehe all eure Hinweise, das es sich bei diesen angetriggerten_gehetzten Impulsen aus dem Innen um alte Botschaften, Konditionierungen, programmartig erlernte Verhaltensweisen handelt.

aber ich sitze jetzt gerade_in meinem HEUTE mit einem sich ausbreitenden Isolationsgefühl an meinem Schreibtisch, bemerke die Abwehr gegen alles von außen, habe steife Finger beim Versuch, einen Blogartikel durch das Nadelör der Sprechverbote zu quetschen.

 

_ist es?

Ist es sinnvoll, werde ich manchmal gefragt, dich mit all dem immer wieder zu beschäftigen? Manchmal überhöre ich diese Frage einfach. Manchmal frage ich auch: Wie meinst du das?

(der folgende Text beschreibt Selbstwahrnehmungen von Gewaltfolgen und kann triggern)

 

Meist kommt es ganz von selbst. Vorgestern zum Beispiel. Irgendwann merke ich beim laufen dieses blöde Gefühl zwischen den Beinen. Da, wo alles ok scheint. (vorsichtshalber schaue ich an meinen Beinen herunter. sehe aber nur den blauen Stoff meiner Jeans. gut zu wissen, das andere es nicht sehen können) Es schmerzt richtig beim laufen und irritiert. Gedanken zu dem „Was fühlt sich denn _so an?!“  drängen sich auf___ein Stock zwischen den Beinen___als wäre es ganz wund. Hattest du Sex letzte Nacht. (nein hatte ich auf keinen Fall) Ich muss zur Arbeit und mit jedem Schritt wird das Gefühl intensiver. aufdringlicher. schmerzhafter. Der Wunsch groß, umkehren, zu Haus unter irgendetwas verstecken, damit es keiner sieht. Damit keiner sieht, wie sich Bilder an die Empfindungen heften. Ekel den Hals heraufsteigt. Ein beißender Geruch. _all das verbindet sich mit dem aufwachen heut morgen. Lange bevor der Wecker geklingelt hätte. Wie sooft in letzter Zeit. Beine gespreizt und erstarrt in dieser Haltung. (mühsam versuche ich dann einen kleinen Finger, die Augen, irgendwas wieder bewegen zu können. um nach und nach auch den Rest des Körpers wieder unter Kontrolle zu bringen und irgendwann die Beine fest aneinander zu drücken)

Ich merke, das ich den Mann in der Bahn mir gegenüber anstarre. Aber der hat mit den Bildern in meinem Inneren nichts zu tun. Auch nicht mit dem Gefühl zwischen meinen Beinen. Auch nicht mit dem Geruch, der in meiner Nase beißt. Inzwischen möchte ich damit nicht mehr allein sein. Den Arbeitstag nur durchstehen. Funktionsmodus ist der Zustand der nächsten 8 Stunden. Auf der Rückfahrt ist alles eher taub. Der Körper, das Denken. Auch gut. ich fühle ES nicht mehr. Und morgen ist ein neuer Tag. und vielleicht werde ich erst vom Wecker klingeln wach. und nicht vorher.

Wie ist das, wenn du dich damit immer wieder auseinandersetzen musst. Weil es sich nicht einfach vergessen lässt. Wie findest du einen Sinn für dich darin? Wie geht es dir damit? Wie ist es für dich? Frag mich doch einfach so was beim nächsten mal.

 

Es war einmal..und es ist.

Eine Erzählung (lateinisch narratio) ist eine Form der Darstellung. Man versteht darunter die Wiedergabe eines Geschehens in mündlicher oder schriftlicher Form. Sowohl den Vorgang des Erzählens, als auch dessen Ergebnis, eine Geschichte im Sinne des englischen Begriffs story, nennt man Narration. (..)Die Gesamtheit jener merkmalbildenden Eigenschaften, die den Akt des Erzählens als Erzählen kennzeichnen, wird Narrativität genannt (..) Sie besteht einerseits darin, dass Geschehnisse in einen mehr oder weniger bewertenden Bezug zu Zeit und Raum gesetzt werden oder diesen zeiträumlichen Rahmen überhaupt erst erzeugen (..), und andererseits darin, dass im Akt des Erzählens die Art und Weise des Erzählens sinnkonstitutiv ist für den Inhalt der Erzählung. (..) Eine Minimaldefinition von Erzählung ist: Jemand erzählt jemand anderem, dass etwas geschehen ist. (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Erzählung)

Es gibt in uns in so vielen Ritzen und Spalten und unbekannten Räumen, Bruchstücke dessen, was erzählt werden soll. Manches in uns Weiterlesen

Wer sind eigentlich die Monster?

Weist du, ich bin so, na, wie erklär ich dir das..also.. ach ja: kennst du diese Psychothriller, wo am Ende der Mörder ganz viele Persönlichkeiten hat und deswegen einen ziemlich gruseligen Serienkiller abgibt? Äh, ach so. Du meinst dieses Jakyll und Hyde Ding. Jaja, klar kenn ich.

Gerade wieder kommt ein solcher Film ins Kino. Naja, im Kino ist es so offen ausgesprochen das erste Mal: Split: Horror-Thriller über einen unberechenbaren Entführer mit multiplen Persönlichkeiten.. Wie wunderbar, meine Traumafolgestörung ist spannend genug, um für einen Horrorfilm her zuhalten. Ich nutze also ein allgemein gern genutztes Medium namens Google um mich weiter über den Film zu informieren:

Das Leben von drei Mädchen wird zum grauenvollen Alptraum, als sie von einem unheimlichen Mann brutal gekidnappt und verschleppt werden. Der Entführer entpuppt sich als gefährlicher Psychotiker mit multipler Persönlichkeitsstörung. 23 verschiedene Wesen lauern im Innern des Wahnsinnigen, bestimmen wechselweise sein Verhalten und sorgen mit Psychoterror für blankes Entsetzen unter den geschockten Teenagern. Während die hilflosen Mädchen verzweifelt nach einer Möglichkeit zur Flucht aus ihrem düsteren Verlies suchen, ringt der schaurige Besessene mit seinen inneren Dämonen – bis eine Grauen erregende Inkarnation des Bösen vollständig Besitz von ihm ergreift, die sich „die Bestie“ nennt…

Und bei einem mittlerweile als wissenschaftlich anerkannten Onlinelexikon wird es noch etwas ausführlicher:

Das Leben der drei Mädchen Casey, Clare und Marcia wird zum Alptraum, als sie von einem unheimlichen Mann gekidnappt und verschleppt werden. Der Entführer – Kevin Wendell Crumb – entpuppt sich als Person mit multipler Persönlichkeitsstörung. Er beherbergt 23 verschiedene Persönlichkeiten in sich, die wechselweise sein Verhalten bestimmen. Seine Therapeutin Dr. Karen Fletcher ist davon überzeugt, dass bei Menschen mit dieser Störung auch körperliche Veränderungen mit dem Persönlichkeitswechsel möglich sind. Sie erhält von einigen der Persönlichkeiten E-Mail-Nachrichten, in denen diese jeweils um Hilfe bitten. Während die Mädchen nach einer Möglichkeit zur Flucht aus ihrem Verlies suchen, ringen im Inneren von Kevin – teilweise verstanden Dr. Fletcher – verschiedene der Persönlichkeiten um die Kontrolle. Als Dr. Fletcher in Kevins Wohnung eines der entführten Mädchen findet, übernimmt eine Grauen erregende 24. Inkarnation, die überlegene körperliche Fähigkeiten besitzt und sich die Bestie nennt, zeitweise die Kontrolle. Die Bestie tötet Dr. Fletcher, Clare und Marcia, verschont aber Casey, als sie deren von ihrem Onkel verursachten Narben am gesamten Körper sieht, und flüchtet; Casey wird entdeckt und gerettet.

Mich regt das auf und macht wütend. Warum in aller Welt brauchen Menschen Mord und Totschlag um sich am Abend gut unterhalten einer Tüte Popcorn zu widmen? Aber gut, was immer dem zu Grunde liegt. Aber wieso sind die mit dem vielen Persönlichkeiten die Monster? Wieso muss die Folge von komplexen, schwersten, durch Menschen verursachten Gewalterfahrungen als Grundlage zur Abendunterhaltung herhalten? Gibt es keinerlei ethische Bedenken, Menschen als Monster darzustellen, die vielfach schon Opfer menschlicher Dummheit und grenzenlosen Gewalt gewesen sind? Wie viele  Kinobesucher werden nach diesem Film Angst haben vor diesen Multiplen, deren Dämonen sie zu Serienkillern werden lassen? Wie viele Menschen werden mitempfinden, hinterfragen und wissen wollen, was tatsächlich Menschen geschehen ist, an realer Gewalt, das eine Dissoziative Identität entstehen lässt? Wie viele Menschen werden sich selbst für die Monster halten,   zu denen sie ihre Täter schon erklärt haben? Gerade der letzte Punkt macht mich am meisten wütend: Dieser Film macht Täterlügen zu einem abendfüllenden Unterhaltungsprogramm und spielt dabei verklärend romantisch mit den Narben, die reale Gewalt hinterlässt.

Warum ich mich entschlossen habe, vor der Aufarbeitungskomission auszusagen

Ich nehme für mich in Anspruch, gehört und gesehen zu werden.

Ich empfinde die benannten Ziele der Komission als plakativ, auch als zu selbstverständlich um schon wieder Inhalt einer Kamagne zu sein, und als  traurig, weil sie vom Zustand des gesellschaftlichen Umgangs mit sexualisierter Gewalt zeugen.
Ich glaube nicht daran, das es zu einer tatsächlichen Aufarbeitung kommt. Das wirkliche Hilfen wie angemessene, fachlich fundierte Traumatherapie, rechtliche Änderungen was Verjährungsfristen oder OEG – Verfahren betrifft oder die Berücksichtigung von innerfamilären Tätern im sozialen Leistungsrecht trotz Subsidaritätsprinzip endlich Einzug halten.

Ich habe mich gegen eine öffentliche Anhörung entschieden, da ich Stigmatisierung, Verurteilung und Bewertung meiner Person befürchte und nicht bereit bin, mich diesem bewusst auszusetzen. Außerdem lebe ich aus Schutz und Sicherheitsgründen immer noch, soweit möglich, anonym.

Ich bin es leid, mich der Definitionsgewalt und Rollenmacht eines sozialen und helfenden Umfelds auszusetzen. Ich möchte nicht mehr um etwas bitten, das selbstverständlich sein sollte. Es tut mir nicht (mehr) leid, das meine Geschichte schwer anzuhören, auszuhalten oder zu glauben ist. Ich fordere ein, das mir achtsam, respektvoll und würdig begegnet wird.

Der Begriff Opfer stellt in seiner Definition eine der Gewalt von etwas oder jemandem ausgelieferte und unterlegene Person dar. Ich empfinde, das die Benutzung dieses Begriffes als Bezeichnung mir diese Rolle zuweist und meine Situation als unterlegen definiert. Dieser Begriff bezeugt aber nicht die Verletzung meiner menschlichen Würde, körperlichen Unversehrtheit und sexuellen Selbstbestimmung. Ich empfinde diesen Begriff als gesellschaftliche Ausgrenzung. Gleiches gilt für das Wort Betroffene. Ich fordere, das anstatt auf mich als Opfer zu zeigen, endlich die Täter in den Mittelpunkt gestellt und aus den Nischen ihrer Verstecke vertrieben werden.

Meine Geschichte und Person ist weder besonders noch einmalig. Ich bin eine von Vielen. Während ich diesen Blogbeitrag schreibe, erfahren andere gleiche und andere Formen sexualisierter Gewalt.

Nachtrag November 2016:

Ich habe am 08.09.2016 folgende Mail erhalten:

AUFARBEITUNGSKOMMISSION Online-Anmeldung
Vielen Dank für Interesse, an einer Anhörung der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs teilzunehmen.

Gern bestätigen wir Ihnen den Eingang Ihrer Nachricht und bitten Sie noch um etwas Geduld.

Wir werden uns in den nächsten Wochen mit Ihnen in Verbindung setzen, um mit Ihnen das weitere Vorgehen zu besprechen.

Mit freundlichen Grüßen
das Büro der Kommission

(Fortsetzung folgt)

 

Januar 2017

Anfang Januar habe ich eine Mail bekommen mit Ansprechpersonen, Ablaufplan und einem Terminvorschlag im Februar für die Anhörung. Die Anhörung wird von zwei Anwältinnen durchgeführt werden und es sind etwa 2 Stunden eingeplant. Nun bereite ich mich auf das Gespräch vor.

Hier der Ablaufplan. Außerdem ist es möglich, sich von einer Vertrauensperson oder Mitarbeiterin einer Beratungsstelle begleiten zu lassen.

Ablauf der Anhörung

Wir wollen Sie darüber informieren, wie wir die Anhörung mit Ihnen vorbereitet haben. Ganz

wichtig: Es wird keinen festen Ablaufplan geben, dem wir folgen müssen. Jede Anhörung wird so individuell wie Ihre Geschichte sein. Wir möchten Ihnen unsere Überlegungen vorstellen, damit Sie wissen, was Sie erwartet.Für Ihre Anhörung haben wir etwa zwei Stunden eingeplant. Die Anhörung wird mit einer kurzen persönlichen Vorstellung beginnen. Wir werden Sie, falls Sie die Einverständniserklärung zum Datenschutz noch nicht unterschrieben haben, zudem über die datenschutzrechtlichen Bestimmungen informieren. Im ersten Teil des Gesprächs berichten Sie frei, was Sie uns erzählen wollen. Sie erzählen und wir hören zu. Bitte nehmen Sie sich die Zeit dazu, die Sie brauchen. Im zweiten Teil des Gesprächs werden wir eventuell Nachfragen stellen, um Ihre Geschichte besser zu verstehen. Die Fragen werden wir natürlich nur stellen, falls Sie uns zu den jeweiligen Themen nicht schon berichtet haben. Mögliche Fragen, die für die Aufarbeitung wichtig sind, werden in erster Linie sein:

1. Was hat Sie bewogen, sich zur Anhörung anzumelden und über den sexuellen Missbrauch, den Sie erlebt haben, zu berichten?

2. Bitte erzählen Sie uns von den erlebten Übergriffen.

3. Wie kam es dazu, dass der Missbrauch aufgehört hat?

4. Wem und wann haben Sie zum ersten Mal über den sexuellen Missbrauch

berichtet?

5. Wie waren die Reaktionen, als Sie über den Missbrauch gesprochen haben?

6. Haben Sie Hilfe und Unterstützung gesucht und haben Sie sie bekommen?

7. Welche Erfahrungen haben Sie mit zuständigen Behörden und

Unterstützungseinrichtungen gemacht?

8. Welche Folgen hatte der Missbrauch für Sie?

9. Spielt der sexuelle Missbrauch heute noch eine Rolle in Ihrem Leben?

Zum Abschluss würden wir gern von Ihnen wissen, was Ihrer Ansicht nach Politik und Gesellschaft gegen sexuellen Kindesmissbrauch tun sollten.

Sie müssen die genannten Fragen aber nicht beantworten, wenn Sie nicht wollen. Sie entscheiden, was Sie uns berichten wollen. Sie können auch jederzeit eine Pause machen oder auch die Anhörung ganz abbrechen.

 

Initiative Phönix Bundesnetzwerk für angemessene Psychotherapie e.V.

https://www.aufarbeitungskommission.de/

Online-Umfrage zu Erwartungen an die Komission

Traumakiste

 

Im letzten Podcast (Episode 19)  habe ich eingeladen, ein Bild seiner Traumakiste an einem Ort zu zeigen, wo sie gut aufgehoben ist. Nun ist auf dem Foto zwar nicht die „Kiste“ als solche zu sehen, aber für mich bzw. uns wäre das ein guter Ort dafür. Die Kiste selbst hat eh keine wirklich definiere Form und mitunter wabert es aus ihr heraus oder quillt über. Weiterlesen

federleicht

manchmal
stelle ich mir vor
meine arme auszubreiten wie schwingen

mich in einen Luftstrom gleiten lassen
voller vertrauen
darauf
von meinen eigenen flügeln getragen zu werden

fühle mich heute kantig und viel zu groß und unförmig und schwerfällig und als würde ich quer stehen zum rest der welt
irgendwie nicht hineinpassen

Die Gedanken sind frei

Seit einiger Zeit dringt dieses Lied immer wieder aus dem Fernseher als Teil eines Werbespots, lässt die Melodie die Erinnerungen wieder wach werden. 1991, eine Psychiatrie in Ostdeutschland, wachs getränktes Linoleum, das vermutlich schon grau war, als es auf dem langen Flur verlegt wurde. Tür an Tür an Tür, dahinter Zimmer mit zwei, vier, fünf Betten, an manchen baumeln die Manschetten der Fixiergurte. Der Ausblick durch die Fenster wird von Gittern zerteilt. Zum rauchen geht’s entweder durch die immer verschlossene Tür. Zumindest bis zum Treppenabsatz, Schuhe bekommen aber nur die, die nicht versucht haben, weg zu laufen. Oder aufs Klo. Dort sitzen sie alle. Erzählen abstruse, verrückte Geschichten und Wahrheiten und Träume. Und nur ab und zu kommt eine Schwester rein und verjagt sie, raus auf die Stuhlreihen an der Wand entlang. Dort kann man die Manischen bei ihrem auf und ab beobachten. Den schizophrenen Gesprächen lauschen. Die alte Frau ganz hinten links zu laut schreien hören. Und Schach mit dem Pfleger spielen, der immer einen Zug macht, wenn er vorbei kommt. Dreimal täglich was zu essen. Und zweimal die Woche Beschäftigungstherapie. Und einmal die Woche schlurfende Schritte. Die Männer von der Station eine tiefer ziehen wie eine traurige Polonaise über die Frauenstation. Zur gemeinsamen Musiktherapie. Sie versucht unauffällig ganz hinten im Raum zu sitzen. Jedes Mal wieder zielt der Therapeut mit seiner Frage auf sie: Und, wirst du heute singen! Irgendwann hat sie beim durchblättern des Liederbuches einen Text entdeckt. Sie nimmt all ihren Mut zusammen:

1.Die Gedanken sind frei,
wer keiner kann sie erraten,
sie fliehen vorbei
wie nächtliche Schatten.
Kein Mensch kann sie wissen,
kein Jäger erschießen,
es bleibet dabei:
die Gedanken sind frei.
 
2. Ich denke, was ich will,
und was mich beglücket,
doch alles in der Still,
und wie es sich schicket.
Mein Wunsch und Begehren
kann niemand verwehren,
es bleibet dabei:
die Gedanken sind frei.
 
4. Und sperrt man mich ein
im finsteren Kerker,
das alles sind rein
vergebliche Werke;
denn meine Gedanken
zerreißen die Schranken
und Mauern entzwei:
die Gedanken sind frei.

Noch 11 Mal hat sie diese Zeilen gesungen, 11 Mal nicht beantwortet, warum sie einen falschen Liedtext singen würde und bei ihrem Abschied haben vielstimmig Männer und Frauen mit ihr gesungen. All diese Verrückten. Sie war 16 und die geschlossene Frauenstation tatsächlich der erste sichere Ort in ihrem Leben, auch wenn die Fixiergurte in manchen Nächten hart in ihre Haut gedrückt haben. Und nein, die Jäger konnten ihre Gedanken nicht erschießen.

Daneben gestanden.

Es ist diese entfernte Betroffenheit, die mich wiederum betroffen macht. Sicher oft ernst gemeint von demjenigen, der einen kleinen Moment erfährt, wie gewaltsam diese Gewalt wirklich sein kann. Einen kleinen Moment gemessen an dem, wie lange die tatsächlich Betroffenen es ertragen müssen. Mitgefühl auf sichere Distanz. Es ist ein Alltagsmensch, die davon spricht, das sie einen Bericht gehört hat auf einer Konferenz von einem, der viel mit den Opfern zu tun hat. Der ein spezieller Mensch sei, sicher um das zu ertragen, was er da täglich sieht und hört. Aber er sei ja schließlich Spezialist für solche Fälle. Gerichtsmediziner, um genau zu sein. Und was er erzählt habe, so schlimm sei das. Sie ist, denke ich, wirklich mit-fühlend. Und trotzdem ertrage ich diese Art von Mitgefühl kaum. Ich bin hier, nicht auf einem Obduktionstisch. Lebend, jeden Tag mit all dem „schlimmen“. Sie redet noch ein wenig weiter. Und dann höre ich uns sagen: Meine Geschichte ist auch so eine. Ich bin nur nicht tod. “ Ich sehe, wie es bei ihr arbeitet. Ach so. Aha. Dann wird ein Schweigen peinlich lang. Ich müsse jetzt weiter. Jaja, einen schönen Tag noch. Ja danke. Dir auch. Ich weis noch nicht wie ich es finde, ihr dies preisgegeben zu haben. Aber wenigstens hab ich gesagt, das DAS nicht nur in Erzählungen vorkommt, sondern manchmal ganz nah ist. Das sie gerade neben einer dieser Betroffenen gestanden hat.